(Q: STATISTIK AUSTRIA. Bevölkerungsprognose 2020. Erstellt am 09.11.2020)

Welche Herausforderungen aufgrund veränderter Altersstrukturen künftig auf den ArbeitnehmerInnenschutz zukommen können. 

Der demografische Wandel hat auch Auswirkungen auf die Betriebe. Der damit zusammenhängende Prozess entzieht sich jedoch meist der Wahrnehmungsschwelle und so geschehen die meisten Veränderungen schleichend. Auch wenn die Auswirkungen der demografischen Veränderungen aktuell im eigenen Betrieb noch nicht spürbar sind, sollten sich Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber rechtzeitig mit dem Thema auseinandersetzen – sonst besteht die Gefahr, von bestimmten Entwicklungen überrascht zu werden.

 

Ein Blick auf die sogenannte Bevölkerungspyramide lässt eindeutig erkennen, dass die Form nicht mehr einer Pyramide entspricht, also die jungen Generationen nicht mehr die breite Basis der Bevölkerung bilden, sondern dass unsere Bevölkerung durchschnittlich immer älter wird.

 

Betrachtet man die Erwerbsbevölkerung (Personen zwischen 15 und 65 Jahren), macht derzeit die Generation der „Babyboomer“ (geboren 1955 – 1970) noch einen großen Anteil aus. Diese Generation geht jedoch mit Riesenschritten auf die Pension zu. Im Vergleich dazu kommen künftig aber weniger Personen aus der Gruppe der heute 5- bis 20-Jährigen auf den Arbeitsmarkt nach, als durch die Pension ausscheiden werden.

Herausforderungen auf der betrieblichen Ebene

Die geschilderten Entwicklungen wirken sich auf der betrieblichen Ebene vor allem auf folgende Bereiche aus: 

Personalgewinnung

Da aufgrund geburtenschwächerer Jahrgänge weniger junge Menschen in den Arbeitsmarkt einsteigen, wird es in gewissen Bereichen oder auch Regionen in Österreich in Zukunft immer schwieriger werden, geeignetes Personal zu finden. In den Medien wird dieses Phänomen oft unter dem Begriff „Fachkräftemangel“ zusammengefasst. Um in der Region als attraktiver Arbeitgeber wahrgenommen zu werden, bedarf es künftig noch intensiverer Bemühungen der Unternehmen und veränderter Methoden bei der Rekrutierung.

 

Mitarbeiterbindung

Unternehmen stehen selbst als attraktiver Arbeitgeber auch vor der Herausforderung, Personal im Unternehmen zu halten. Dazu wird es notwendig sein, sich mit den unterschiedlichen Bedürfnissen und Lebensphasen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auseinander zu setzen, um geeignete Anreize für den Verbleib im Unternehmen zu schaffen. Wer besonders auf die Stärken der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter achtet, um daraus passende Entwicklungsmöglichkeiten im Rahmen der Personalentwicklung abzuleiten, wird diesbezüglich klar im Vorteil sein.

 

Nachfolgeplanung und Wissensmanagement

Besonders wichtig ist es für Unternehmen, eine Nachfolgeregelung für jene Personen zu finden, die in Pension gehen. Daher sollten rechtzeitig Überlegungen angestellt werden, welche Personen aus den eigenen Reihen in den kommenden Jahren das Regelpensionsalter erreichen und was das für die Nachfolgeplanung bedeutet. Sonst droht ein Kompetenzverlust durch den Ausstieg wichtiger Erfahrungsträger. Die Herausforderung für Unternehmen besteht darin, das Erfahrungswissen der Älteren im Betrieb zu halten. Im Unternehmen müssen Prozesse etabliert werden, die sicherstellen, dass das vorhandene und notwendige Wissen weiterhin verfügbar ist.

 

Arbeitsfähigkeit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter

Da die Generation der 50- bis 65-Jährigen einen großen Anteil an der Erwerbsbevölkerung hat, können es sich Betriebe nicht mehr leisten, keine älteren Personen zu beschäftigen. Vielmehr müssen sich Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber überlegen, wie gesunde Arbeitsplätze geschaffen werden können, die es den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ermöglichen bis zum Pensionsantrittsalter leistungsfähig im Unternehmen zu bleiben. Außerdem kann eine begleitende Gesundheitsförderung dabei helfen, das Wohlbefinden zu fördern und die Anzahl der Krankenstandstage zu senken. Darüber hinaus schafft ein funktionierendes Wiedereingliederungsmanagement, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nach einem langen Krankenstand wieder sanft und angepasst an die individuelle Situation in ihre Arbeitstätigkeit zurückkehren können.

 

Generationenmanagement

Dadurch, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter länger arbeiten, sind gleichzeitig nicht mehr nur zwei Generationen im Betrieb, wo eben eine Generation die andere ablöst, sondern oft arbeiten drei, wenn nicht sogar vier Generationen parallel in einem Unternehmen. Hier ist es wichtig, die jeweiligen Erfahrungen der unterschiedlichen Jahrgänge zu nutzen und so die Zusammenarbeit altersgemischter Teams zu fördern.

Auswirkungen auf die Psychische Belastung

Auch die psychische Belastung und in weiterer Folge die Beanspruchung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kann aufgrund des demografischen Wandels zunehmen. Belastungen können sich in Bezug auf folgende Bereiche ergeben:

  • Pensionierungen oder Wechsel von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in andere Unternehmen können zu einer höheren Fluktuation führen. Werden diese Personen nicht rechtzeitig oder im ausreichenden Maß nachbesetzt, müssen die Aufgaben und Tätigkeiten vom verbleibenden Personal übernommen werden. Dadurch kann es zu einer starken Zunahme der Arbeitsintensität kommen, die dazu führt, dass die Tätigkeiten nicht mehr in der zur Verfügung stehenden Zeit erledigt werden können. Die Folge: Entweder die Qualität der Aufgabenbearbeitung sinkt oder die Arbeitszeit muss in Form von Überstunden verlängert werden.
  • Es kann sein, dass für die Übernahme dieser neuen Aufgaben neue Qualifikationen benötigt werden. Werden diese den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern nicht zeitnahe vermittelt, können Gefühle der Inkompetenz entstehen, die zusätzlich eine Belastung darstellen. Wichtig ist in diesem Zusammenhang auch die Sicherung von Wissen im Betrieb durch die Dokumentation bzw. Schaffung von Möglichkeiten, informelles Wissen an Kolleginnen und Kollegen weiter zu geben.
  • Aufgrund der Anhebung des Pensionsantrittsalters und strengerer Zugangsbestimmungen zur Invaliditätspension bleiben Personen länger im Arbeitsleben als früher. In Betrieben arbeiten daher nicht nur zwei Generationen zusammen, sondern meist drei bis vier Generationen. Da jede Altersgruppe aufgrund ihrer unterschiedlichen Lebensphase auch unterschiedliche Bedürfnisse hat, wird die Zusammenarbeit schwieriger und es können Konflikte daraus entstehen. Um das Verständnis füreinander und die Unterstützung untereinander zu verbessern, können hier Maßnahmen wie zum Beispiel die Etablierung gemeinsamer Werte im Unternehmen umgesetzt werden. Dabei ist es wichtig miteinander zu reden, andere Ansichten auch zu akzeptieren und voneinander zu lernen. Vor allem die Führung ist in dieser Hinsicht gefordert, durch einen professionellen Umgang mit allen Altersgruppen keine bestimmte Generation zu bevorzugen. Es ist dabei auch wichtig zu vermitteln, dass jeder wichtig für den Erfolg ist und die Abteilung, das Unternehmen nur als Team gut funktioniert. Dadurch kann auch Konkurrenzdenken verhindert werden.
  • Auch fehlende Perspektiven der beruflichen Entwicklung können zur Beeinträchtigung des Wohlbefindens führen bzw. zum Wunsch, das Unternehmen zu verlassen. Daher sollte man im Unternehmen nicht nur auf die jungen Kolleginnen und Kollegen achten, sondern ebenso auf die Generation 55+. Dazu ist es empfehlenswert, auch älteren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern den Zugang zu Schulungen und Entwicklungsangeboten zu ermöglichen. Das Schulungsangebot für diese Altersgruppe sollte jedoch unbedingt die Lernvoraussetzungen dieser Generation berücksichtigen.
  • Aufgrund der körperlichen Veränderungen im Laufe des Erwerbslebens können sich bezüglich der Arbeitsplatzgestaltung spezielle Herausforderungen ergeben. Diese beziehen sich auf die Handhabung von Lasten, die Beweglichkeit und Koordination, Umgebungseinflüsse wie Hitze oder Kälte und Arbeitsanforderungen, die das Hören und Sehen betreffen. Aspekte, die für eine alter(n)sgerechte Arbeitsplatzgestaltung besondere Relevanz haben, sind z. B. in der AUVA-Checkliste „Evaluierung unter Berücksichtigung des Alters“ angeführt.
  • Monotone Tätigkeiten können zu Unterforderung und somit zu einer Abnahme der Motivation führen. Daher sollten Anforderungen an Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter immer dem Stand ihrer jeweiligen Kompetenzentwicklung angepasst werden.
  • Auch eine fehlende Perspektive in Bezug auf Laufbahnmöglichkeiten kann zu einer Einschränkung des Wohlbefindens führen.
  • Da mit dem Alter meist auch das Regenerationsbedürfnis zunimmt, kann eine schlechte Arbeitszeitgestaltung – vor allem aber hoher Zeitdruck – negative Auswirkungen auf die benötigte Zeit für Erholung haben.
  • Mit zunehmenden Alter können auch Unterbrechungen der Arbeitstätigkeit (zum Beispiel durch eingehende Telefonate oder dringende Zwischenfragen von Kolleginnen und Kollegen) zu einer höheren Beanspruchung bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern führen.

Mögliche Maßnahmen

Um dem demografischen Wandel nicht ausgeliefert zu sein, sondern ihm entsprechend begegnen zu können, sollten sich Unternehmen rechtzeitig damit auseinandersetzen. Folgende Maßnahmen können dabei helfen, die Situation im Unternehmen bestmöglich zu bewältigen:

  • Sorgen Sie für eine balancierte Altersstruktur.
  • Passen Sie Ihr Recruiting an.
  • Machen Sie sich Gedanken über Ihre Mitarbeiterbindung.
  • Ermöglichen Sie Entwicklung und Qualifikation von Beschäftigten jeden Alters.
  • Setzen Sie auf Lebensphasenorientierte Führung.
  • Erhalten Sie die Arbeitsfähigkeit Ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
  • Führen Sie ein Wiedereingliederungsmanagement ein.
  • Fördern Sie die Zusammenarbeit im Unternehmen durch Generationenmanagement.
  • Setzen Sie sich mit Wissensmanagement und Nachfolgeplanung auseinander.

Weitere Infos zum Thema finden Sie hier:

 

Bei Fragen zum Thema stehen Ihnen die Präventionsexpertinnen und -experten der AUVA gerne zur Verfügung. Kontaktieren Sie uns unter sichereswissen@auva.at