Beinaheunfälle zeigen immer wieder, dass man das Glück nicht zweimal herausfordern sollte …

(Foto: lwlom)

Es gibt kaum etwas, was es nicht gibt. Diese Erfahrung machen die Präventionsexpertinnen und -experten der AUVA immer wieder, wenn es um die Analyse von besonderen Situationen oder Gegebenheiten geht, die zu Arbeitsunfällen hätten führen können. In den meisten Fällen kommt es zum Glück zu keinem Personenschaden und die Beteiligten werden bestenfalls lediglich an die Bedeutung der Sicherheitsmaßnahmen oder des Verwendens der Persönlichen Schutzausrüstung (PSA) erinnert. Aufmerksame Vorgesetzte und Sicherheitsfachkräfte nutzen diese Informationen über Beinaheunfälle, um gemeinsam mit dem AUVA-Präventionsteam Arbeitsplätze sicherer zu gestalten.

 

An vielen Arbeitsplätzen, wie z. B. beim Arbeiten unter schwebenden Lasten, führt eine Evaluierung und Gefährdungsbeurteilung zur der verpflichtenden Verwendung eines Schutzhelmes. Die Sinnhaftigkeit dieser Maßnahme wird gerne hinterfragt, wenn man sich nicht unmittelbar im Gefahrenbereich aufhält. Trotzdem gibt es immer wieder Beispiele dafür, wie auch die Umgebung diverser Arbeitsbereiche weiterhin gefährdet bleibt, selbst wenn die Gefahr – objektiv betrachtet – nicht unmittelbar auf der Hand liegt. Das soll jedoch nicht heißen, dass keine Gefahr vorhanden ist. Denn manchmal kann die Gefahr durch herabfallende Gegenstände, manchmal aber auch durch nicht ganz so naheliegende Einflüsse, wie z. B. Windböen, entstehen.

 

Kommt ein Ziegel geflogen …

So wurden zum Beispiel in einem Innenhof Baumpflegearbeiten durchgeführt. Durch aufkommenden Wind wurden die Äste eines Baumes, die am Nachbar-Hausdach auflagen, stark durchgebogen. Innerhalb kurzer Zeit entstand eine Spannung ähnlich der Spannung eines Sportbogens, um einen Pfeil zu beschleunigen. Durch die wiederholte Neigung des Baumes im Wind und die damit verbundene Spannung durch aufliegende Äste wurde Schritt für Schritt ein Dachziegel gelockert, bis er sich schließlich ganz aus der Verankerung löste. Der gespannte Ast führte dazu, dass der Dachziegel ca. 30 Meter weggeschleudert wurde. Im Normalfall stellt schon das direkte Herabfallen eines Dachziegels eine Gefahr für Leib und Leben dar. In diesem Fall wurde der Dachziegel zu einem Geschoss und flog in einer ähnlichen Kurve wie ein Wurf-Diskus.

(Illustration: IKoy)

Der Dachziegel traf schließlich so auf einem Baum auf, dass die gesamte Aufprallenergie direkt in dessen Stamm überging. Es lässt sich nur erahnen, welche Kräfte dabei frei wurden, denn der verbleibende Ziegelrest bohrte sich ca. 10 cm tief in den Baumstamm. Hätte der Ziegel einen ungeschützten Kopf getroffen, der eigentlich 30 Meter vom Arbeits- und Gefahrenbereich entfernt war, wäre es definitiv zu schweren Verletzungen gekommen.

(Foto: lwlom)

Das Aufliegen von Ästen auf Dächern stellt somit eine Gefahr dar, die durch eine regelmäßige Beobachtung vermieden werden kann. Im Bedarfsfall helfen hier die geschulten Augen von Spezialisten, die auch rechtzeitig entsprechende Maßnahmen durchführen können.

 

Learnings für die Evaluierung?

Eine Evaluierung stellt eine fundierte Auseinandersetzung mit der geplanten Tätigkeit und den damit verbundenen (möglichen) Gefahren dar. Dem gegenüber steht in der Praxis oft die schnelle Wahrscheinlichkeitsüberlegung „Ich glaube nicht, dass hier etwas passiert!“, welche zu (Beinahe-)Unfällen führen kann. Vertrauen Sie daher lieber der Evaluierung und den gewissenhaften Überlegungen, die dahinterstehen, und widerstehen Sie den Versuchungen, die z. B. aufgrund von Hitze oder sozialen Einflüssen zu Lockerungen der eigentlich notwendigen Sicherheitsmaßnahmen verleiten. Denn unglückliche Zustände und deren Verkettungen können schneller zu einer erheblichen Gefahr werden, als vermutet.

 

In diesem Sinne wünschen wir ein unfallfreies Weiterarbeiten!

Bei Fragen zum Thema Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz stehen Ihnen die Präventionsexpertinnen und -experten der AUVA jederzeit gerne zur Verfügung. Kontaktieren Sie uns unter sichereswissen@auva.at