Welche Tools eingesetzt werden können, um Gefährdungen und Belastungen am Arbeitsplatz zu beurteilen.

(Foto: WavebreakMediaMicro / lwtaf)

Arbeitsbedingte Muskel-Skelett-Erkrankungen (MSE) können durch physische Belastungen im Zusammenhang mit beruflichen Tätigkeiten entstehen. Häufige Belastungsfaktoren sind dabei z. B. Heben oder Bewegen von Menschen oder schweren Lasten, häufig wiederholte Hand-Arm-Bewegungen oder auch langes Sitzen. Auch Einwirkungen des unmittelbaren Arbeitsumfeldes, wie z. B. schlecht ausgestattete Arbeitsplätze, eine unzureichende Arbeitsorganisation oder Stress, können Beschwerden verursachen bzw. verschlimmern.

 

Um gezielte Maßnahmen für die Sicherheit und Gesundheit der Mitarbeiter:innen setzen zu können, muss im Rahmen der gesetzlich geforderten Arbeitsplatzevaluierung grundsätzlich festgestellt werden, welche Gefährdungen und Belastungen am jeweiligen Arbeitsplatz auftreten. Bewertungstools und Normen ermöglichen es Arbeitgeber:innen diese Belastungen zu bewerten, um das damit verbundene Risiko für eine körperliche Überbeanspruchung zu beurteilen.

 

Um generell festzustellen, ob und welche körperlichen Belastungen vorhanden sind, können einfache Checklisten, wie z. B. „Basis-Check und Einstiegsscreening bei körperlicher Belastung“ (BAuA) oder „Arbeitsplatz-Check körperliche Belastungen“ (SUVA) eingesetzt werden. Sind körperliche Belastungen festgestellt worden, so müssen die identifizierten Belastungen im Detail objektiviert und quantifiziert werden. Mit der Quantifizierung können gezielte Maßnahmen für den Schutz der Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten gesetzt werden.

 

Die Leitmerkmalmethoden

Ein bewährtes Screening-Verfahren zur Beurteilung und Gestaltung der Arbeitsbedingungen bei physischen Arbeitsbelastungen sind die sogenannten „Leitmerkmalmethoden“. Sie wurden von der deutschen Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) entwickelt und fanden in den letzten Jahrzehnten in ganz Europa ihre praktische Anwendung und Verbreitung. Sie können auf der Website der BAuA kostenlos heruntergeladen werden und sind in mehreren Sprachen erhältlich.

 

Die Leitmerkmalmethoden ermöglichen in der aktuellen Version eine getrennte Beurteilung aller typischen Formen physischer Arbeitsbelastung. Dazu zählen:

  • Manuelles Heben, Halten und Tragen von Lasten (HHT)
  • Manuelles Ziehen und Schieben von Lasten (ZS)
  • Manuelle Arbeitsprozesse (MA)
  • Ganzkörperkräfte (GK)
  • Körper(zwangs)haltung (KH)
  • Körper(fort)bewegung (KB)

 

Folgende Belastungsfaktoren (Leitmerkmale) werden dabei mittels eines Punktesystems erfasst und bewertet, wie z. B.:

  • Zeit (Dauer der Belastung),
  • Lastgewicht,
  • Lastaufnahmebedingungen,
  • Körperhaltung,
  • Ausführungsbedingungen
  • Arbeitsorganisation

 

Aktuell lässt das Beurteilungsverfahren allerdings noch keine zusammenfassende Beurteilung verschiedener Belastungsarten zu. Weiterentwicklungen in diese Richtung befinden sich noch in der Entwicklungs- und Validierungsphase und werden in den nächsten Jahren erwartet.

 

Risikobeurteilung

Alle sechs Leitmerkmalmethoden haben den gleichen Aufbau. Zur Beurteilung sind grundsätzlich folgende Schritte erforderlich:

  1. Bestimmung der Zeitwichtung (Bewertung, wie lange eine Belastung einwirkt),
  2. Bestimmung der Wichtung der Leitmerkmale (z. B. Last, Lasthöhe, auftretende Kräfte sowie Nebenbelastungen wie z. B. Ausführungsbedingungen, Handgelenkstellungen, Vibrationen, Klimafaktoren usw. …)
  3. Die Zeitwichtung (= Dauer der Belastung) wird mit der Summe der Belastungen aus den Leitmerkmalen (= Intensität der Belastung) multipliziert. (Dauer * Intensität = Belastung)
  4. Bewertung/Beurteilung

Der in Schritt 3 ermittelte Punktwert wird mit einer Risikotabelle verglichen, welche als Ergebnis rot, gelb oder grün – ähnlich einer Ampel –  liefert. Diese Beurteilung entspricht dem Bewertungssystem gemäß ÖNORM EN 614-1:2009 05 01 (Sicherheit von Maschinen – Ergonomische Gestaltungsgrundsätze – Teil 1: Begriffe und allgemeine Leitsätze). Daraus lässt sich ablesen wie wahrscheinlich Überbeanspruchungen oder gesundheitliche Folgen auftreten.

3-Zonen-Bewertungssystem nach ÖNORM EN 614-1:2009 05 01, mit den Punkte-Grenzen der Leitmerkmalmethoden. Details zum Bewertungssystem finden Sie im Handbuch zu den Leitmerkmalmethoden (Projekt Megaphys) auf Seite 52 (-> Klick auf Tabelle)

Durch die Objektivierung der Belastungen können konkrete Hinweise abgeleitet werden, an welchen Stellen Maßnahmen der Arbeitsgestaltung wirksam ansetzen können. Die Leitmerkmalmethoden eignen sich auch, um Gestaltungsmaßnahmen im Vorfeld auf ihre Wirksamkeit zu überprüfen.

 

Die Anwendung der Leitmerkmalmethoden ist mit etwas Übung leicht zu erlernen. Das Präventionsteam der AUVA unterstützt Unternehmen beim Erlernen der Anwendung der Leitmerkmalmethoden. Die nächsten offenen Schulungstermine zum Thema finden statt am:

Mehr Infos zum aktuellen AUVA-Präventionsschwerpunkt „Packen wir’s an!“ zu arbeitsbedingten Muskel-Skelett-Erkrankungen (MSE) finden Sie unter www.auva.at/mse.

 

Sie haben Fragen zur ergonomischen Gestaltung von Arbeitsplätzen? Das Präventionsteam der AUVA steht Ihnen gerne beratend zur Seite. Kontaktieren Sie uns unter sichereswissen@auva.at