Als Servicepartner für Prävention ist es uns wichtig zu wissen, mit welchen Herausforderungen verschiedene Branchen zu diesem Thema konfrontiert sind, wie Prävention in der jeweiligen Branche gesehen wird und was aus ihrer Sicht wichtige Entwicklungen für die Zukunft sind. 

(© AUVA)
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In der sechsten Ausgabe unseres Formats „Prävention im Talk“ sprechen wir mit KR Günther Stangl, Regionalstellenobmann in der Wirtschaftskammer Steiermark / Regionalstelle Südoststeiermark, Mitglied der Landesinnung Steiermark der Lebensmittelgewerbe und Vorsitzender der AUVA-Landesstelle Graz, über seine Erfahrungen und Gedanken zum Thema Prävention.

"PRÄVENTION IM TALK"

Sie sind Mitglied der Landesinnung Steiermark der Lebensmittelgewerbe und selbst als Bäcker tätig. Wie beurteilen Sie aus Ihrer langjährigen Erfahrung heraus die Entwicklung von Sicherheit und Gesundheit in Ihrer Branche?

Ich bin seit meinem 16. Lebensjahr mit Leib und Seele Bäcker und arbeite im Familienbetrieb. Diese lange Erfahrung aus der Praxis bringe ich natürlich auch in meine Funktionen bei der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt und in der Wirtschaftskammer ein. Generell sind die Arbeitsplätze in Österreich, über alle Bereiche und Branchen hinweg, kontinuierlich immer gesünder geworden. Einerseits durch technische Entwicklungen, wie zum Beispiel Absauganlagen oder Sicherheitsvorkehrungen bei Maschinen. Andererseits hat aber auch ein Kulturwandel stattgefunden und die Gesundheit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Unternehmen einen immer größeren Stellenwert bekommen. Das belegt auch die Unfallstatistik der AUVA: Die Arbeitsunfälle gehen kontinuierlich zurück. Vor allem auch in den Betrieben, die das Beratungs- und Präventionsangebot der AUVA in Anspruch nehmen.

Was sind derzeit zentrale Herausforderungen in Bezug auf Sicherheit und Gesundheit und welche Präventionsaktivitäten setzen Sie, um diese Aspekte am Arbeitsplatz zu fördern?

Neue Herausforderungen liegen sicher im Bereich der psychischen Gesundheit. Der Druck für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hat zugenommen. Immer mehr Arbeit muss in kürzerer Zeit verrichtet werden. Mit der Corona-Pandemie kam dann vielerorts Arbeitsplatzunsicherheit dazu und die Doppelbelastung durch Familie und Beruf – Stichwort: Homeoffice und Homeschooling – hat ebenso zugenommen.

 

Persönlich ist mir das persönliche Gespräch und der Kontakt zu meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wichtig. Nur so kann ich herausfinden, ob jemand Probleme hat und was ich dagegen tun kann bzw. wie ich die Person unterstützen kann. Als kleiner Betrieb mit fünf Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern habe ich da natürlich einen Vorteil, weil ich automatisch viel näher an meinem Team dran bin als in einem großen Unternehmen.

 

Die Berufskrankheit Mehlstauballergie, oder das „Bäckerasthma“ wie es im Volksmund heißt, ist dank moderner Absauganlagen und einem bewussten Umgang seltener geworden. Das Thema der Früherkennung ist enorm wichtig. Vor zwei Jahren gab es z. B. einen Präventionsschwerpunkt zu berufsbedingten Hauterkrankungen. Da hat die AUVA wirklich Großes bewegen können, v. a. bei Frisörinnen und Frisören. Durch Früherkennung und Prävention – zum Beispiel Handschuhe tragen und die richtige Hautpflege – können die Menschen eher in ihrem Beruf bleiben.

 

Persönlich achte ich darauf, Sport zu machen und ich gehe regelmäßig ins Fitnessstudio. Der Arbeitsbeginn um 1:00 Uhr morgens ist kein Problem. Natürlich muss man seinen Beruf mögen. Aber im Gegensatz zur Schichtarbeit kann sich der Körper gut auf die Arbeitszeit einstellen.

Sie sind gleichzeitig auch Vorsitzender der AUVA-Landesstelle Graz. Wie bringen Sie Ihre Praxiserfahrungen ein, damit Unternehmen – und speziell jene aus dem Lebensmittelgewerbe – in der Prävention künftig noch zielgerichteter durch die AUVA unterstützt werden können?

Ich sehe mich nicht nur als Vertreter des Lebensmittelgewerbes, sondern in erster Linie als Vertreter der kleinen Unternehmen (bis 50 Mitarbeiter). In puncto Sicherheits- und Gesundheitsmanagement haben kleine Unternehmen gänzlich andere Voraussetzungen. Da gibt es weder personelle noch finanzielle Ressourcen für eine Sicherheitsfachkraft oder einen Arbeitsmediziner bzw. eine Arbeitsmedizinerin. Als Chefin oder Chef in einem kleinen Betrieb ist man oft eine One-Woman bzw. eine One-Man Show. Man muss gleichzeitig Experte im Fachgebiet, im Gewerbe- und Steuerrecht und für Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz sein. Das schafft eine Person allein nicht.

 

Deswegen finde ich die kostenlose sicherheitstechnische und arbeitsmedizinische Betreuung durch „AUVAsicher“ ein wichtiges Angebot. Betriebe profitieren von einer professionellen und kontinuierlichen Betreuung zu allen Aspekten des ArbeitnehmerInnenschutzes und können sich für die Sicherheit und Gesundheit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter engagieren. Die AUVA arbeitet ganzheitlich auf vier Säulen: Prävention, Unfallheilbehandlung, Rehabilitation und finanzielle Entschädigung. Diese vier Säulen greifen ineinander. Unsere Beraterinnen und Berater bekommen aus unseren Unfallkrankenhäusern Informationen darüber, welche Arbeitsunfälle passieren, was die Ursachen waren und welche gesundheitlichen Auswirkungen die Unfälle haben. Dieses Wissen fließt dann wieder in die Präventionsstrategien und in die Beratungen ein. So wird die Präventionsarbeit der AUVA kontinuierlich verbessert und gezielt an den Bedürfnissen der Unternehmen ausgerichtet.

Wie erklären Sie einer Unternehmerin bzw. einem Unternehmer in aller Kürze die Vorteile von Prävention?

Die AUVA ist ein wichtiger Partner der Unternehmerinnen und Unternehmer, wenn es um die Sicherheit und Gesundheit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter geht. In Prävention zu investieren, lohnt sich nicht nur finanziell, weil es weniger Ausfälle oder Krankenstände gibt. In Zeiten des Fachkräftemangels, in denen es immer schwieriger wird gut ausgebildete Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu finden, sind gesunde Arbeitsbedingungen ein wichtiger Faktor, um gute Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Unternehmen zu halten oder neue zu gewinnen.

… und was sagen Sie einer Arbeitnehmerin bzw. einem Arbeitnehmer über Prävention?

Dass sie Sicherheitsvorschriften und Präventionsmaßnahmen nicht für den Chef oder die Versicherung befolgen sollen, sondern in erster Linie aus ihrem eigenen Interesse. Jeder Unfall und jede Krankheit sind mit Schmerzen und Leid verbunden. Das hat auch Auswirkungen auf das Privat- und Freizeitleben. Man kann zum Beispiel Hobbies eine Zeit lang nicht mehr nachgehen, was natürlich noch das geringste Problem ist. Man trägt Verantwortung für die eigene Gesundheit, besonders wenn man eine Familie hat. Leider wird das von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern nicht immer so gesehen. Und man kennt es ja auch von sich selbst: Mit der Routine kehrt oft Nachlässigkeit ein. Deswegen ist es wichtig, sicherheitsrelevante Informationen immer wieder zu wiederholen und mit der Belegschaft darüber zu sprechen. Nur sehr, sehr wenige Menschen sind wirklich uneinsichtig.

Die Digitalisierung ist – nicht zuletzt durch die Corona-Pandemie – im Vormarsch. Hat diese auch einen Einfluss auf Ihre Branche? Welche Chancen und / oder Risiken sehen Sie?

Als Bäckereibetrieb habe ich von der Corona-Pandemie in der Hinsicht profitiert, dass das Bewusstsein der Menschen für die Bedeutung der regionalen Nahversorgung gestiegen ist. In meinem Betrieb wird das meiste noch handwerklich gemacht. Aber je größer der Betrieb, desto digitaler sind die Arbeitsabläufe. Bei der händischen Arbeit kann relativ wenig passieren – im digitalen Bereich steht aber die Produktion sehr schnell einmal still, wenn die Elektronik ausfällt.

Verraten Sie uns zum Schluss noch, welche 3 Eigenschaften Ihren persönlichen „best place to work“ ausmachen?

Um gut und motiviert arbeiten zu können, sind für mich ein gutes Licht bzw. die Beleuchtung wichtig und dass der Arbeitsplatz die richtige Höhe hat, egal ob am Schreibtisch oder bei der Maschine. Am Bäckerhandwerk schätze ich einerseits die Ruhe in der Backstube und gleichzeitig die Kommunikation mit den Menschen, wenn ich im Laden stehe.

(© Nicole Niederl)

KR Günther Stangl war 1977 mit nur 19 Jahren der jüngste Bäckermeister Österreichs. Nach Abschluss der Lehre übernahm der den väterlichen Betrieb, die „Bäckerei Stangl“,  in Gnas in der Steiermark. Nach wie vor steht er dort jeden morgen mit großer Leidenschaft und Freude in der Backstube. Seit 1993 hat Stangl verschiedene Funktionen in der Wirtschaftskammer Steiermark inne. 2011 wurde er Vorsitzender der AUVA-Landesstelle Graz. In dieser Funktion bringt Stangl seine langjährige Praxiserfahrung in die Weiterentwicklung der Präventionsangebote der AUVA – insbesondere für KMU – ein.