Welche Herausforderungen der neue Alltag mit sich bringt und wie Sie damit umgehen können.
Die zunehmende Digitalisierung erlaubt es, zu jeder Zeit und an (fast) jedem Ort zu arbeiten. Während Telearbeit bei einigen Firmen bereits zur Routine gehört, war es für andere bis vor wenigen Tagen noch kein Thema. Durch die neue Situation arbeitet der Großteil der Bevölkerung derzeit von zu Hause aus, um – im Sinne der seitens unserer Regierung getroffenen Schutzmaßnahmen – einer Ausbreitung des Coronavirus so weit wie möglich entgegenzuwirken. Die aktuelle Situation verpasst uns nun also einen „Crashkurs“, und uns bleibt nichts Anderes übrig, als uns in sehr kurzer Zeit mit den Möglichkeiten moderner Technologien, mit neuen Formen der Zusammenarbeit und auch mit Strategien der Selbstorganisation auseinanderzusetzen. Umso wichtiger ist es, diese Veränderungen als einen Prozess zu sehen und aktiv an dessen Verbesserung mitzuarbeiten. Da diese Form der Arbeit vom normalen Arbeitsalltag der meisten Menschen in diesem Land abweicht, haben wir Tipps für Sie zusammengestellt, wie Sie mit der Herausforderung des „Home-Office-Alltags“ gut/besser zurechtzukommen können.
„Anywhere, Anytime“-Work
Was dabei einerseits als positiv angesehen wird – z. B. freie Zeiteinteilung, bessere Vereinbarkeit von Beruf und Kinderbetreuung, mehr Autonomie und damit einhergehend eine höhere Produktivität durch weniger Unterbrechungen des Arbeitsflusses – kann jedoch auch negative Effekte haben. Die vermutlich größten Herausforderungen bestehen in der Abgrenzung von Arbeit und Freizeit, einer geregelten Gestaltung von Arbeitszeit und Pausen, aber auch in Bezug auf den kollegialen Austausch. All das kann bei der Arbeit im Home-Office in den Hintergrund geraten, wodurch es zu einer Beeinträchtigung der psychischen Gesundheit und der sozialen Beziehungen kommen kann.
Alles unter einen Hut bekommen?
Berufliches von Privatem zu trennen, stellt im Home-Office generell eine Herausforderung dar. Beginnt der Arbeitstag normalerweise mit dem Schließen der Haustür und endet mit dem Öffnen derselben, ist derzeit ein Verlassen der eigenen vier Wände kaum möglich bzw. überhaupt nur in Ausnahmefällen gestattet. Für viele, besonders für die pflichtbewussten unter uns, startet der Arbeitstag somit schon bevor sie gefrühstückt haben: mit dem ersten Blick aufs (Dienst-)handy, um „nur schnell zu checken, ob etwas Wichtiges ansteht“. Und auch kurz vor dem Schlafengehen ist mit dem Blick aufs Handy der Büroalltag noch immer nicht abgeschlossen. (Gefühlte) Ständige Erreichbarkeit, (selbst) auferlegter Leistungsdruck, und das Jonglieren zwischen beruflichen Tätigkeiten, Kinderbetreuung bei geschlossenen Schulen und Kindergärten, Haushaltsführung und Partnerschaft lassen besonders in der aktuellen Ausnahmesituation die Grenzen zwischen Berufs- und Privatleben noch mehr als üblich verschwimmen.
Folgende Tipps sollen Ihnen helfen, Rahmenbedingungen für die Arbeit von zu Hause aus so zu gestalten, dass dadurch entstehende Belastungen reduziert werden:
- Atypische Arbeitszeiten führen oft zu Überstunden, da auch bis in die Nacht oder am Wochenende gearbeitet werden kann. Vereinbaren Sie mit Ihrem Arbeitgeber definierte Rahmenzeiten, innerhalb der Sie für berufliche Belange erreichbar sein müssen. So können sie (unbezahlte) Mehrarbeit außerhalb dieser Zeiten vermeiden.
- Achten Sie auf eine Tagesroutine und feste Abläufe: Vereinbaren Sie Arbeits- und Ruhezeiten nicht nur mit Ihrem Arbeitgeber, sondern auch mit sich selbst!
- Die gesetzliche Arbeitszeitregelung gilt auch für Arbeiten im Home-Office! Zeichnen Sie Arbeitsbeginn und -ende auf und halten Sie die Mittagspause ein.
- Home-Office und Kinderbetreuung: Auch hierfür ist eine klare Vereinbarung mit Ihrem Arbeitgeber wichtig. Wenn Sie sich neben der Arbeit selbst um die Kinderbetreuung kümmern, sollten Sie den Tag abwechselnd in Zeiten für die berufliche Tätigkeit und arbeitsfreie Zeit für die Kinderbetreuung unterteilen. Um sich auf die jeweilige Aufgabe ganz konzentrieren zu können, sollte es zu keiner Vermischung der beiden Tätigkeiten kommen.
- Kommunizieren Sie Ihre „Bürozeiten“. Tragen Sie diese z. B. in Ihrem Outlook-Kalender ein, damit auch Ihre Vorgesetzten und Kolleginnen und Kollegen wissen, wann Sie offiziell erreichbar sind (Einheitliche Richtlinien über das Führen des Kalenders ist hier für die gesamte Abteilung bzw. Teams empfehlenswert). Externe Kontakte können Sie persönlich oder z. B. mit einer Abwesenheitsnotiz über Ihre „Bürozeiten“ informieren. Diese Maßnahmen können den Druck der ständigen Erreichbarkeit reduzieren.
- Gehen Sie offline! Schalten Sie das Diensthandy außerhalb dieser Zeiten wenn möglich ganz aus. Wenn Sie ein- und dasselbe Mobiltelefon beruflich und privat nutzen, ist es z. B. sinnvoll, in Abstimmung mit dem Arbeitgeber die Anzeige der Benachrichtigungen über die berufliche E-Mail-Adresse zeitlich zu begrenzen oder manuell abzurufen. Einige Unternehmen stellen bereits die Übermittlung von E-Mails außerhalb der offiziellen Arbeitszeiten und am Wochenende automatisch ein. Eine andere Lösung wäre, E-Mails über das E-Mail-Programm zeitverzögert zu versenden (ein um 20.00 Uhr verfasstes E-Mail kann so auch erst um 7.00 Uhr am nächsten Morgen übermittelt werden und verursacht weniger Stress beim Empfänger, dieses auch außerhalb der Arbeitszeit beantworten zu müssen). Vor allem firmenintern wirkt sich das positiv auf die Erholung und die psychische Gesundheit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus.
- Führen Sie für sich ein Ritual des Abschließens der täglichen Arbeit ein, wie zum Beispiel das Wegräumen der Arbeitsunterlagen oder das Abspielen des Lieblingsliedes. Das hilft beim Abschalten und erleichtert es, in den Freizeit-Modus überzugehen!
- Sorgen Sie nach Ende der Arbeitszeit für Erholungszeit, ohne durch berufliche E-Mails und Telefonate gestört zu werden. Wichtig: Nicht neben dem Fernsehen weiterarbeiten!
- Während im Büroalltag ungewollte Unterbrechungen der Arbeit stattfinden (z. B. durch Personen, die anklopfen oder ein ständig läutendes Telefon), kann ein konzentriertes Arbeiten ohne Unterbrechungen im Home-Office die individuelle Arbeitsleistung steigern. Die Arbeitsumgebung und -bedingungen lassen hier eher kreative Lösungen entstehen und können zu einer Förderung der Innovation führen. Jedoch erfordert diese Form der Zusammenarbeit gegenseitigen Vertrauen zwischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern und Führungskräften. Denn die erhöhte Autonomie, die den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern zugesprochen wird, kann einerseits zu einer besseren Work-Life-Balance und einer höheren individuellen Arbeitsleistung führen, andererseits können empfundenes oder vermitteltes Kontrollieren und Misstrauen diese positiven Aspekte auch zunichtemachen.
- Da im Büro normalerweise nicht alle Tätigkeiten schriftlich dokumentiert werden müssen, sollte sich dieses Vertrauen auch auf den Home-Office-Alltag erstrecken. Das Vereinbaren von Zielen und das Definieren von Aufgaben, die in der kommenden Woche unbedingt erledigt werden müssen, helfen z. B. dabei Prioritäten zu setzen. Mit Einträgen im Outlook-Kalender oder kurzen Tätigkeitsberichten können Sie auch Ihren Vorgesetzten über den Status von Projekten und erledigten Aufgaben am Laufenden halten. Die zusätzliche Dokumentation im Home-Office ist aber auch mit einem administrativen Mehraufwand verbunden und sollte nicht Überhand nehmen – denn das kann sich negativ auf die qualitative Produktivität und Motivation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auswirken.
Der Austausch mit Kolleginnen und Kollegen ist nicht nur auf fachlicher Ebene wichtig, sondern bietet auch emotionale Unterstützung in der neuen Arbeitssituation. Der direkte, persönliche Austausch am Gang, beim Drucker oder beim Kaffee muss dieser Tage leider ausfallen. Da er aber für den Zusammenhalt im Team wichtig ist, sollte er weiterhin bestehen. Greifen Sie also regelmäßig zum Telefon, halten Sie Video-Konferenzen ab, schreiben Sie Chat-Nachrichten oder E-Mails – Ihre Kolleginnen und Kollegen werden sich freuen! Den positiven Effekt auf das Team werden Sie merken, sobald Sie wieder gemeinsam im Büro arbeiten dürfen.
Zur neuen Routine finden
- Die Umstellung vom bisherigen normalen Alltag zur aktuellen Situation erfolgte unerwartet, ungeplant und kurzfristig – für alle Beteiligten. Daher erfordert sie sowohl von Führungskräften als auch von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern Verständnis dafür, dass nicht alles von Anfang an reibungslos funktioniert. Die Einbindung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei der Erarbeitung neuer Routinen erhöht jedoch deren Motivation und auch die Akzeptanz dieser neuen Arbeitsweisen.
- Gegenseitige Wertschätzung und Anerkennung der Leistung ist besonders in der aktuellen Situation gefragt. Die unerwartete Umstellung auf Home-Office benötigt sicher mehr Zeit, bis sie zur Routine geworden ist.
Wenn sich alle gleichermaßen darauf einlassen, können wir es schaffen, eine gewisse Normalität in den Arbeitsalltag der Ausnahmesituation einkehren zu lassen.
(Beitrag erschienen am 30.03.2020)