Mit dem Schwerpunkt „Packen wir’s an!“ möchte die AUVA das Bewusstsein für die Prävention arbeitsbedingter Muskel-Skelett-Erkrankungen (MSE) erhöhen.

(Foto: AdobeStock/WavebreakMediaMicro)

Kommt es am Arbeitsplatz zu Fehl- oder Überbelastungen, können Muskel-Skelett-Erkrankungen (MSE) die Folge sein. Dabei handelt es sich um Erkrankungen des Bewegungs- und Stützapparats – also z. B. von Wirbelsäule, Gelenken, Muskeln, Sehnen und Bändern. Diese machen sich durch Schmerzen und Funktionseinschränkungen bemerkbar. Expertinnen und Experten gehen davon aus, dass 40 bis 50 Prozent aller MSE arbeitsbedingt sind.

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Laut Fehlzeitenreport 2020 sind in Österreich mehr als ein Fünftel aller Krankenstandstage und 13,4 Prozent aller Krankenstandsfälle auf Erkrankungen des Muskel-Skelett-Systems und des Bindegewebes zurückzuführen. Die durchschnittliche Dauer eines Krankenstands wegen einer Muskel-Skelett-Erkrankung (MSE) beträgt 15,5 Tage. Auch jeder zehnte Arbeitsunfall steht in Zusammenhang mit einer „Bewegung des Körpers unter/mit körperlicher Belastung“. Diese Fakten sprechen eine deutliche Sprache. Was sich jedoch nicht in Zahlen fassen lässt, ist das menschliche Leid, das durch Funktionseinschränkungen und Schmerzen entsteht.

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Wie entstehen MSE?

Arbeitsbedingte MSE werden hauptsächlich durch Arbeitstätigkeiten, z. B. durch langes Sitzen, Heben oder Bewegen von Menschen bzw. schweren Lasten und wiederholte Hand- oder Armbewegungen verursacht oder verschlimmert. Dazu kommen Einwirkungen des unmittelbaren Arbeitsumfelds wie Stress oder ergonomisch schlecht ausgestattete Arbeitsplätze.

 

Zu den häufigsten Risikofaktoren für MSE zählen physische Risikofaktoren wie das Heben, Halten, Tragen, Ziehen oder Schieben von Lasten. Laut „Austrian Report 2020“ der EU-OSHA gibt knapp ein Drittel aller Beschäftigten in Österreich an, bei der Arbeit mit schweren Lasten zu hantieren. Zu den besonders gefährdeten Berufsgruppen zählen beispielsweise Beschäftige am Bau, in der Lagerarbeit, bei der Paketzustellung und in der Pflege.

 

Für das Muskel-Skelett-System belastend sind auch sogenannte Zwangshaltungen wie Hocken, Knien und Liegen oder Arbeiten mit den Händen über Schulterhöhe. Zu den Tätigkeiten in einer ermüdenden oder schmerzhaften Position zählen z. B. Fliesenlegen oder Montagearbeiten. Ebenfalls ungünstig ist langes Stehen, etwa im Verkauf, am Fließband oder als Köchin bzw. Koch. Stundenlang sitzen muss man nicht nur im Büro, auch Portierinnen und Portiere sowie Fahrerinnen und Fahrer von LKWs, Taxis oder öffentlichen Verkehrsmitteln sind betroffen.

 

Beschwerden des Hand-Arm-Schulter-Bereichs können durch repetitive manuelle Tätigkeiten, Arbeiten mit extremen Gelenkstellungen und Werkzeuggebrauch wie Drehen oder Hämmern entstehen. Betroffen sind z. B. Personen, die an der Supermarktkasse tätig sind, Näh- oder Produktionsarbeiten durchführen. Weitere Risikofaktoren sind Hand-Arm-Vibrationen, die durch rotierende oder schlagende Handmaschinen verursacht werden, sowie Ganzkörpervibrationen.

(DATEN: MSDS FACTS AND FIGURES OVERVIEW: PREVALENCE, COSTS AND DEMOGRAPHICS OF MSDS IN EUROPE; NATIONAL REPORT: AUSTRIA 2019; GRAFIK: AUVA; ILLUSTRATIONEN: OSHA.EUROPA.EU)

Auch psychosoziale Faktoren spielen eine Rolle

Neben körperlichen Belastungen können auch psychosoziale Faktoren zur Entstehung von arbeitsbedingten MSE beitragen. Aus der wissenschaftlichen Literatur ist bekannt, dass es einen engen Zusammenhang zwischen Muskel-Skelett-Erkrankungen und psychischen Belastungen gibt. Dazu zählen hohe Arbeitsanforderungen bei zugleich geringen Handlungs- und Entscheidungsspielräumen, monotone Tätigkeiten und das Verschwimmen der Grenzen von Arbeit und Freizeit. Auch die Arbeitsmarktlage spielt eine Rolle: Denn Beschäftigte, die Angst um ihren Job haben oder ihren Kolleginnen und Kollegen keine zusätzliche Arbeit aufbürden wollen, neigen dazu, trotz chronischer Schmerzen arbeiten zu gehen, statt sich auszukurieren. Im Endeffekt entstehen den Unternehmen dadurch höhere Kosten als durch krankheitsbedingte Fehlzeiten. Präventive Maßnahmen und gegebenenfalls eine frühzeitige Therapie können einen wichtigen Beitrag leisten, um Krankheiten vorzubeugen und Fehlzeiten zu reduzieren.

 

Belastungsfaktoren bewerten

Um zielgerichtete Maßnahmen zur Prävention sowohl von Arbeitsunfällen als auch von Muskel-Skelett-Erkrankungen treffen zu können, ist eine Evaluierung der physischen Belastung erforderlich. Wie hoch diese ist, hängt von mehreren Einzelfaktoren ab. Bei der Arbeitsplatzevaluierung in Bezug auf physische Belastung wird empfohlen, Bewertungsverfahren wie die Leitmerkmalmethoden zu Hilfe zu nehmen. Diese unterstützen ein strukturiertes und gezieltes Vorgehen, um Belastungen zu erfassen und zu bewerten. Tätigkeitsmerkmale wie Gewicht einer Last, Körperhaltung und Dauer werden dabei berücksichtigt.

 

Unterstützung bei der Bewertung von Belastungen und der Umsetzung von Maßnahmen erhalten die Unternehmen von der AUVA, die auf praxisorientierte Prävention setzt und so die Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz fördert. Ziel ist, in den Betrieben ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass körperliche Belastung ein Faktor für Arbeitsunfälle ist und die Entstehung von Muskel-Skelett-Erkrankungen begünstigt. Daher müssen einerseits Rahmenbedingungen für ein körpergerechtes Arbeiten geschaffen werden, andererseits kann jede und jeder selbst dazu beitragen, das individuelle Risiko für MSE und Arbeitsunfälle zu verringern.

 

Angebote der AUVA

Im Rahmen des Präventionsschwerpunkts „Packen wir’s an!“ sind mehrere Veranstaltungen geplant, der Fokus liegt dabei auf klassischen Belastungen wie Lastenhandhabung. Zu den bereits bestehenden Angeboten der AUVA zur Arbeitsplatzergonomie sowie zu körperlichen und psychischen Belastungen kommen weitere Workshops, Seminare und Webinare zu MSE. Auch das kostenlose Programm AUVAfit, das körperliche und psychische Gestaltungsaspekte von Arbeit verbindet, soll verstärkt in die Betriebe gebracht werden.

 

Eine praktische Unterstützung für die Prävention von MSE bieten auch zahlreiche AUVA-Publikationen wie neue Merkblätter, Folder und Poster, Ergonomie-Tools, Videos und eine eigene MSE-Website mit den wichtigsten Informationen zum Thema. Zudem werden die Präventionsexpertinnen und -experten der AUVA Betriebe kostenlos zur ergonomischen Gestaltung von Arbeit, z. B. zur richtigen Lastenhandhabung oder zum optimalen Design von Bildschirmarbeitsplätzen, beraten.

Alle Infos zum neuen AUVA-Präventionsschwerpunkt „Packen wir’s an!“ zu arbeitsbedingten Muskel-Skelett-Erkrankungen (MSE) sind ab sofort unter www.auva.at/mse verfügbar.