Als Servicepartner für Prävention ist es uns wichtig zu wissen, mit welchen Herausforderungen verschiedene Branchen konfrontiert sind, wie Prävention in der jeweiligen Branche gesehen wird und was aus ihrer Sicht wichtige Entwicklungen für die Zukunft sind.

(Foto: Privat)
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In der zweiten Ausgabe unseres neuen Formats „Prävention im Talk“ sprechen wir mit KommR Alexander Eppler, Innungsmeister der Landesinnung Wien der Dachdecker, Glaser und Spengler, über seine Erfahrungen und Gedanken zum Thema Prävention.

"PRÄVENTION IM TALK"

Dachdecker:innen, Glaser:innen und Spengler:innen arbeiten im Baugewerbe und dieses zählt laut Arbeitsunfall-Statistik zu den unfallträchtigsten Branchen. Wie beurteilen Sie als Innungsmeister das Unfallgeschehen in Ihrer Branche?

Obwohl der Bau in der jährlichen Arbeitsunfallstatistik immer noch auf Platz eins liegt, hat sich in puncto Prävention für mehr Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit in den letzten Jahren einiges getan. Bei großen Dachsanierungen sind Sicherheitskonzepte während und nach der Baustelle mittlerweile gang und gäbe. Im Gegensatz zu früher werden heute eigentlich immer Gerüste aufgestellt. Bei Neubauten sind auch am Dach selbst Sicherheitseinrichtungen vorhanden: Fixe Anschlagpunkte dienen der Befestigung der persönlichen Schutzausrüstung gegen Absturz. Also insgesamt bin ich der Meinung, dass vieles besser geworden ist oder laufend besser wird.

Was sind zentrale Herausforderungen in Bezug auf Sicherheit und Gesundheit in Ihrer Branche und auf welche Präventionsaktivitäten setzen Sie, um diese Aspekte am Arbeitsplatz zu fördern?

Ein wiederkehrendes Problem sind Wartungsarbeiten an Bestandsobjekten, also an Gebäuden, die 20 Jahre und älter sind. Damals wurden Dächer in der Regel nicht mit Sicherheitseinrichtungen, wie Anschlagpunkten, ausgestattet. Beim Thema Nachrüstung zeigen manche Hauseigentümerinnen und -eigentümer leider oft wenig Einsicht. Da heißt es dann: „Bis jetzt hat es doch auch ohne Sicherheitseinrichtungen funktioniert …“. Die Sensibilisierung ist hier sehr wichtig. Denn was viele nicht wissen ist, dass der oder die HauseigentümerIn im Falle eines Unfalls mitunter eine Teilschuld trägt und von der Behörde zur Verantwortung herangezogen werden kann.

Was wünschen Sie sich von der AUVA in puncto Zusammenarbeit mit Ihrer Branche?

Die Informationen und Beratungen zur Arbeitssicherheit durch die Expertinnen und Experten der AUVA sind wirklich gut. Da wünsche ich mir, dass das auch in Zukunft so bleibt. Ich finde auch den Ansatz „beraten statt strafen“ sinnvoll, wobei ich aber auch nicht bestreiten möchte, dass bei einigen Menschen der Lerneffekt erst nach verhängter Strafe eintritt (man kann hier durchaus mit dem Straßenverkehr vergleichen). Für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus Wiener Betrieben fördert die AUVA in Zusammenarbeit mit unserer Innung zudem Trainings für Höhenarbeiten. Dort lernen sie in Theorie & Praxis die richtige Anwendung der persönlichen Schutzausrüstung gegen Absturz sowie Techniken zur sicheren Durchführung von Bergungsmaßnahmen. Nach der Basisausbildung gibt es jährlich die Möglichkeit für Auffrischungs- und Weiterbildungskurse. Das finde ich sinnvoll und im Sinne der Prävention.

Wie erklären Sie einer Unternehmerin bzw. einem Unternehmer die Vorteile von Prävention?

In Zeiten, in denen die Handwerksbranche um qualifizierte Fachkräfte ringt, sind Ausfälle von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern auch wirtschaftlich schwerwiegend. Prävention zahlt sich daher immer aus! Mein Eindruck ist, dass dies bei den Führungskräften mittlerweile angekommen ist. Sogar während der Corona-Krise waren die Auftragsbücher voll; momentan haben viele Unternehmen eher Schwierigkeiten, die Aufträge abzuarbeiten. Das Thema Zeitdruck versuche ich nach Möglichkeit von meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern fernzuhalten. Als Chef sage ich den Kunden daher ganz offen, was geht und was nicht geht – bei mir gibt es daher nur in wenigen Ausnahmefällen Überstunden! Im Sommer haben meine Beschäftigten außerdem die Möglichkeit, sich hitzefrei zu nehmen. Sie können frei entscheiden, ob sie bei Temperaturen jenseits der 30° Grad arbeiten können oder nicht. Es bringt nichts, die Arbeit um jeden Preis durchzuführen. An einem Tag habe ich dann vielleicht zwei Stunden gewonnen – aber wenn etwas passiert, verliere ich viel mehr. Bei einem Arbeitsunfall ist ein Mitarbeiter bzw. eine Mitarbeiterin im besten Fall ein paar Tage im Krankenstand. Im schlimmsten Fall enden Arbeitsunfälle tödlich. Ich persönlich möchte dann nicht den Angehörigen gegenüberstehen und erklären müssen, wie es dazu kommen konnte.

… und was sagen Sie einer Arbeitnehmerin bzw. einem Arbeitnehmer über Prävention?

Viele Menschen handeln leider nach der Devise „Es muss zuerst etwas passieren, damit etwas passiert“! Deswegen nutze ich für die Sensibilisierung gerne plakative Beispiele, um hier ein Umdenken zu erzielen. Als Landesinnungsmeister bin ich mit vielen Kolleginnen und Kollegen in Kontakt und höre viele Geschichten, bei denen im besten Fall nur beinahe etwas passiert ist. In den seltensten Fällen gibt es nur „die eine“ Ursache, sondern es ist eine Verkettung mehrerer, unglücklicher Umstände, die letztendlich zu einem Arbeitsunfall führen. Echte und greifbare Beispiele kommen bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern eher an als Theorie und Schulungen. Was nicht heißt, dass diese nicht auch wichtig sind. Ich agiere oft anlassbezogen und nutze die Arbeitseinteilung – wenn die gesamte Belegschaft da ist – für wichtige Botschaften. Ich erzähle meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, was in anderen Unternehmen passiert ist und warne sie davor, dass uns dasselbe auch passieren kann, wenn wir nicht aufpassen.

Die Digitalisierung ist – nicht zuletzt durch die Corona-Pandemie – im Vormarsch. Welchen Einfluss wird diese Entwicklung Ihrer Einschätzung nach auf die Branche und das Thema Prävention nehmen? Welche Chancen und / oder Risiken sehen Sie?

Die Digitalisierung ist in unserer Branche eher eingeschränkt. Wir sind in erster Linie immer noch Handwerker. Am ehesten digital sind die Bereiche Dokumentation und Service. HauseigentümerInnen wollen, dass Wartungsarbeiten oder Dachsanierungen bis ins kleinste Detail festgehalten werden. Da machen wir umfangreiche Fotoprotokolle. Für die jährliche Wartung gibt es ein automatisches Erinnerungsservice. Aber ich weiß nicht, ob man das „Digitalisierung“ nennen kann. Das ist mit anderen Branchen nicht vergleichbar.

Verraten Sie uns zum Schluss noch, welche 3 Eigenschaften Ihren persönlichen „best place to work“ ausmachen?

An meinem Beruf mag ich, dass es kein reiner Bürojob ist, sondern dass ich regelmäßig rauskomme, etwa wenn ich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter besuche oder Baustellen besichtige. Dass unsere Arbeit ganz oben stattfindet und ich Wien jeden Tag von oben aus einer anderen Perspektive sehen darf, ist für mich immer noch etwas ganz Besonderes. Ich war selbst auch einmal Lehrling und habe das Handwerk von der Pike auf gelernt. Schon als junger Mann habe ich es genossen, immer ganz oben an der frischen Luft zu arbeiten, mit allen Vor- und Nachteilen, wie Hitze, Kälte, usw.

Am Ende des Tages, oder besser, am Ende einer Baustelle, ist es ein schönes Gefühl, etwas Dauerhaftes geschaffen zu haben. Wenn ich durch Wien gehe, sehe ich viele Dächer, die ich gemacht habe – zum Beispiel das Dach des Kunsthistorischen Museums. Als Dachdecker und Spengler hat man in gewisser Weise das Stadtbild mitgeprägt, das macht mich schon ein bisschen Stolz.

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Spenglermeister Alexander Eppler ist Geschäftsführer der Spenglerei & Dachdeckerei „Johann Eppler KG“ und verantwortlich für zwölf Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, davon zwei Lehrlinge. Seit 2009 ist er Landesinnungsmeister der Dachdecker, Glaser und Spengler in Wien und seit November 2020 stellvertretender Bundesinnungsmeister. Als Mitglied im Berufsschulausschuss der Spengler sowie als Bildungsbeauftragter der Sparte Gewerbe & Handwerk und der Wirtschaftskammer Wien engagiert sich Eppler auch für die Aus- und Weiterbildung in der Branche.