Als Servicepartner für Prävention ist es uns wichtig zu wissen, mit welchen Herausforderungen verschiedene Branchen zu diesem Thema konfrontiert sind, wie Prävention in der jeweiligen Branche gesehen wird und was aus ihrer Sicht wichtige Entwicklungen für die Zukunft sind.
In der elften Ausgabe unseres Formats „Prävention im Talk“ sprechen wir mit Mag.a Christiane Holzinger, geprüfte Steuerberaterin und geschäftsführende Gesellschafterin der Gründer:innen-Beratungsfirma Start-up Stars GmbH sowie Bundesvorsitzende der Jungen Wirtschaft Österreich, über ihre Erfahrungen und Gedanken zum Thema Prävention.
"PRÄVENTION IM TALK"
Welche Rolle spielen Arbeitsunfälle bzw. arbeitsbedingte Erkrankungen in der Branche der Unternehmensberatung, Buchhaltung und Informationstechnologie?
Arbeitsunfälle kommen in der Branche eher weniger vor. Arbeitsbedingte Erkrankungen gibt es hingegen über alle Office-Bereiche hinweg. Ursachen sind die eingeschränkte Bewegung, weil es sich ja vorwiegend um sitzende Tätigkeiten handelt, viel Bildschirmarbeit sowie enormer Stress und Druck. Das führt zu Muskel- und Skeletterkrankungen beziehungsweise Beschwerden wie Verspannungen, Kopfschmerzen und Nackenschmerzen. Auch Schlafprobleme und Augenerkrankungen sind häufig. Leider herrscht immer noch wenig Bewusstsein für die Bedeutung von regelmäßiger Bewegung, Ausgleichsübungen (auch für die Augen) oder gesunder Ernährung.
Wo sehen Sie gerade für Ihre Branche Herausforderungen für die Prävention am Arbeitsplatz?
Mit Sicherheit darin, Arbeitsplätze adäquat auszustatten und für Ausgleich zu sorgen, um die Gesundheit und Fitness der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter langfristig zu gewährleisten. Es geht darum, gesunde Rahmenbedingungen zu schaffen. Mit der Digitalisierung nehmen Office-Jobs weiter zu; ausführende Tätigkeiten werden weniger. Hier spielt auch der Mindset der Mitarbeitenden eine wichtige Rolle: Wo beginnt meine eigene Verantwortung? Was muss ich selbst tun, um gesund zu bleiben? Es ist oft schwierig, den Menschen das Thema Eigenverantwortung bewusst zu machen.
In meinem Unternehmen legen wir seit zehn Jahren großen Wert darauf und versuchen, hier bewusst Anreize zu schaffen. Zum Beispiel erhalten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ein Kilometergeld, wenn sie mit dem Rad ins Büro fahren. Wir organisieren regelmäßig Team-Aktivitäten wie gemeinsame Wandertage und stellen Angebote für gesunde Ernährung zur Verfügung. Oft verschimmelt das Obst in der Obstschüssel aber. Da braucht man als Chef sehr viel Energie. In der öffentlichen Diskussion werden nur die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber in die Pflicht genommen. Ich bin wirklich dahinter und biete viel an. Wenn die Eigenverantwortung seitens der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aber niedrig ist, nutzt das nicht viel. Es braucht den Willen und Einsatz von beiden Seiten.
Sie beraten auch viele Start-ups und möchten diese zu unternehmerischem Erfolg führen. Welche Rolle spielen aus Ihrer Sicht sichere und gesunde Arbeitsbedingungen dabei? Was können und sollten Start-ups dafür tun?
Die Betriebliche Gesundheitsförderung ist eine wichtige Maßnahme. Wir besprechen immer zwei Komponenten: die Förderung der körperlichen und die der seelischen beziehungsweise sozialen Gesundheit. Man kann beispielsweise Firmenveranstaltungen mit sportlichem Hintergrund organisieren. Ein wichtiges Thema ist aber auch die psychologische Begleitung. Gerade Start-ups arbeiten meist in einem internationalen Umfeld. Es gibt viele internationale Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die in ihrem neuen Umfeld mitunter noch nicht gefestigt sind. Das war gerade mit der Pandemie und dem Homeoffice ein Thema. Je nach kulturellem Hintergrund werden Probleme oft nicht von selbst angesprochen. Mitarbeiter in technischen Start-ups sind zudem eher introvertiert, vor allem Männer. Hier kann eine Begleitung durch eine Arbeitspsychologin oder einen Arbeitspsychologen wichtig sein. Es geht darum, Probleme rechtzeitig zu erkennen und Unzufriedenheit oder Fluktuation vorzubeugen. Im Sinne der ganzheitlichen Prävention darf man die seelische Komponente nicht außer Acht lassen.
Was wünschen Sie sich von der AUVA in puncto Zusammenarbeit mit Ihrer Branche?
Wenn man die neue Generation von Unternehmerinnen und Unternehmern gewinnen will, dann muss sich in der AUVA widerspiegeln, dass Engagement auch unterstützt wird. Hier hinkt man in Österreich noch hinterher. Viele Funktionärinnen und Funktionäre sind in die Jahre gekommen und verstehen die Bedürfnisse der heutigen Generation und der Arbeitswelt nicht. Das Start-up von heute sieht die AUVA als verstaubte Institution, mit der man lieber nicht zusammenarbeiten möchte. Das ist schade, denn die Unternehmerinnen und Unternehmer, die ich als Beraterin begleite, sehen durchaus, wie wichtig Prävention ist, und wären prinzipiell bereit, mehr zu machen.
Für die Zusammenarbeit mit der AUVA wünsche ich mir daher mehr Proaktivität. Wenn die drei Säulen Arbeitgeber, Arbeitnehmer und AUVA gut funktionieren sollen, wird man neue Modelle brauchen. Zum Beispiel könnte es „Firmencamps“ geben, wo man mit der gesamten Belegschaft für zwei bis drei Tage hinfährt. Beim Thema Gesundheit ist der Spaßfaktor sehr wichtig. Ich würde mir mehr erlebnisorientierte Formate wünschen, die mir als Unternehmerin die oft mühsame Motivations-Arbeit abnehmen. Auch Kooperationen mit Berufsverbänden wären toll. Beim Thema Arbeitspsychologie könnte mehr gehen, wenn sich die AUVA in der Kommunikation nach außen mehr dafür einsetzen würde, dass es hier neue Rahmenbedingungen braucht. Denn Verhalten zu ändern hat auch mit Psychologie zu tun.
Vor allem aber braucht es dringend attraktive Rahmenbedingungen seitens der Politik. Viele Unternehmen würden ihren Mitarbeitenden gerne die Möglichkeit bieten, ins Fitnessstudio zu gehen. Wie kann das funktionieren? Das Konzept der Betriebsausgaben ist sehr eng. Um gesundes Essen steuerlich absetzbar zu machen, muss man mit dem Finanzamt streiten. Meiner Meinung nach sollte die AUVA viel stärker dafür lobbyieren, das Thema Prävention steuerlich absetzbar zu machen. In Österreich liegt der Fokus zu einseitig auf der Behandlung. Dafür werden hohe Kosten getragen, obwohl die Aufwände für präventive Maßnahmen viel geringer sind. Wenn man als Unternehmerin oder Unternehmer bestimmte Dinge steuerlich absetzten könnte, wäre das ein wichtiges Incentive.
Wie erklären Sie einer Unternehmerin bzw. einem Unternehmer in aller Kürze die Vorteile von Prävention?
Die Vorteile liegen auf der Hand: Mitarbeiterbindung, Vermeidung von Krankenständen und drittens die Zufriedenheit der Mitarbeiter im Unternehmen, die dadurch gesteigert wird.
… und was sagen Sie einer Arbeitnehmerin bzw. einem Arbeitnehmer über Prävention?
Vorsorge und Prävention sind wichtig für ein langes und gesundes Leben. Man muss sich mit Sport und Ernährung auseinandersetzen. So vermeidet man chronische Erkrankungen und bleibt körperlich und geistig fit.
Die Digitalisierung ist – nicht zuletzt durch die Corona-Pandemie – im Vormarsch. Hat diese Entwicklung auch Einfluss auf Ihre Branche? Welche Chancen und / oder Risiken sehen Sie?
Die Nachteile sind, dass mit der Digitalisierung des Arbeitsalltags körperliche und psychische Belastungen durch langes Sitzen, Druck und Stress weiter zunehmen. Die Chancen der Digitalisierung liegen in der Automatisierung von Prozessen, die bisher manuell gemacht werden mussten. Körperlich anstrengende und gefährliche Tätigkeiten werden reduziert, und man kann mehr für die Weiterentwicklung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter tun. In der Buchhaltung zum Beispiel geht auch schon viel automatisch, deswegen kann sich das Personal mehr auf das Verstehen von Zusammenhängen konzentrieren.
Ich persönlich bin kein Fan vom Homeoffice. Es bietet sicher Vorteile, aber ich sehe auch viele Nachteile, allen voran in der mangelnden Kommunikation und beim Teambuilding. Im Büro sehe ich als Arbeitgeberin, wie es den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern geht. Das sehe ich nicht, wenn sie zu Hause sind, und bei introvertierten Menschen noch viel weniger. Ich nehme auch wahr, dass es mit dem Homeoffice auch mehr Fluktuation in Unternehmen gibt. Das ist verständlich, weil die Menschen weniger an den Betrieb gebunden sind. Ein bis zwei Tage Homeoffice in der Woche sind ok, aber es ist ganz wichtig, auch regelmäßig im Büro zu arbeiten.
Verraten Sie uns zum Schluss noch, welche 3 Eigenschaften Ihren persönlichen „best place to work“ ausmachen?
Erstens eine hohe Eigenverantwortung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die auch gefördert wird; zweitens eine wertschätzende Kommunikation und drittens ein familiärer Umgang. Wir alle wünschen uns einen Platz, wo wir gerne hingehen, und eine Arbeit, die wir als sinnstiftend erleben. Außerdem haben wir einen Bürohund, eine Dackel-Dame namens „Paula“, die zusätzlich für eine gute Stimmung sorgt.