Als Servicepartner für Prävention ist es uns wichtig zu wissen, mit welchen Herausforderungen verschiedene Branchen zu diesem Thema konfrontiert sind, wie Prävention in der jeweiligen Branche gesehen wird und was aus ihrer Sicht wichtige Entwicklungen für die Zukunft sind. 

Christoph Kössner (mitte, Foto: R.Reichhart)

In der dreizehnten Ausgabe unseres Formats „Prävention im Talk“ sprechen wir mit Christoph Kössner, Geschäftsführer der Kössner GmbH und Preisträger der „Goldenen Securitas“ 2021, über seine Erfahrungen und Gedanken zum Thema Prävention. 

"PRÄVENTION IM TALK"

Sie sind als Unternehmer seit 25 Jahren in der Transport- und Erdbaubranche tätig. Wo sehen Sie in Ihrer Branche besondere Herausforderungen für die Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz? Gibt es viele Arbeitsunfälle?

Das Verkehrsaufkommen auf den Straßen wird immer mehr. Zwar gibt es von den Fahrzeug-Herstellern teilweise schon technische Unterstützung wie Bremsassistenten oder Abstandstempomate. Die Fahrerinnen und Fahrer müssen dennoch entsprechend konzentriert sein. Speziell beim Erdbau und Baustellentransport haben wir ein erhöhtes Unfallrisiko durch Stromleitungen im Baufeld oder durch Baumaschinen – und auch der Abladevorgang beim LKW ist gefährlich, weil das Fahrzeug umkippen kann. Das passiert leider immer wieder und auch wir haben unsere Erfahrungen gemacht. Der Baustellenverkehr birgt größere Herausforderungen als der Fernverkehr: die asphaltierte Straße ist weg, man fährt oft auf nicht befestigtem Untergrund und die Wege sind uneben.

Welche Präventionsaktivitäten setzen Sie in Ihrem Betrieb, um die Sicherheit und Gesundheit Ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter am Arbeitsplatz zu fördern?

Vor zwei Jahren haben wir uns im Unternehmen für den Einsatz von Abschiebewägen entschieden. Mit ihrer Hilfe muss die Fuhr nicht mehr abgekippt, sondern kann einfach nach hinten hinausgeschoben werden. Beim Abladen gibt es so praktisch keine Umkippgefahr mehr. Auch das Risiko, dass man beim Abladevorgang einer Ober- oder Stromleitung zu nahe kommt, wird reduziert. Ein Teil unserer Flotten-Fahrzeuge wurde bereits auf diese Technik umgestellt.

 

Unsere Baumaschinen haben wir mit sogenannten Hub- und Schwenkbegrenzungen ausgerüstet, um Gefahrenbereiche bei der Arbeit auszugrenzen. Teilweise wird das von Kunden auch explizit gefordert, vor allem im Bahnverkehr. Bei Bautätigkeiten auf einem Gleis herrscht auf dem benachbarten Gleis normaler Fahrbetrieb. Mit der Technik der Hub- und Schwenkbegrenzung können unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Bagger den genauen Arbeitsbereich eingeben und er schwenkt nicht in den Gefahrenbereich hinein. Beim Hub lassen sich der Mindestabstand zur Oberleitung und die Schwenkbereiche nach rechts und links festlegen. Sobald man der Gefahrenzone zu nahe kommt, schaltet der Bagger automatisch ab. Zusätzlich sorgen Kameras auf Baugeräten für eine bessere Rundumsicht.

 

Neben vielen technischen Maßnahmen zur Förderung der Arbeitssicherheit setzen wir natürlich auch organisatorische Maßnahmen um und achten auf die Persönliche Schutzausrüstung. Damit unsere Fahrerinnen und Fahrer sich zwischendurch entspannen können, haben wir eine „Drivers Lounge“ eingerichtet, mit einem Kaffee- und Getränkeautomaten. Im Sommer gibt es eine Gartenhütte für gemeinsame Pausen oder das gesellige Zusammensitzen am Feierabend. Im Büro gibt es jede Woche eine Biokiste mit frischem Obst und Gemüse. Und auch „Dessa“, unser Betriebshund, leistet einen Beitrag. Sie hat im Büro eine beruhigende Wirkung und sorgt außerdem für Bewegung. Viele Kolleginnen und Kollegen melden sich von selbst und wollen in der Pause mit ihr Gassi gehen.

Was wünschen Sie sich von der AUVA in puncto Zusammenarbeit mit Ihrer Branche?

Grundsätzlich bin ich mit der Zusammenarbeit und der Unterstützung durch die AUVA sehr zufrieden. Wir haben einen sehr netten Arbeitsmediziner, der uns jährlich besucht und super berät. Auch bei den jährlichen Unterweisungen für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bekommen wir Unterstützung. Der Austausch mit dem Berater vor der Unterweisung ist mir sehr wichtig, damit auch wirklich nichts vergessen wird.

 

In letzter Zeit ist mir auch persönlich aufgefallen, dass die allgemeine psychische Belastung bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zunimmt. Ich meine hier nicht nur den Druck durch die Arbeit oder das Unternehmen, sondern auch private Probleme. Dazu trägt natürlich die aktuelle globale wirtschaftliche und soziale Situation einiges bei. Neben der Corona-Pandemie haben wir seit Beginn des Jahres Krieg in Europa, die Inflation ist so hoch wie nie und die Gas- und Strompreise belasten die Menschen zusätzlich. Viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kommen bereits psychisch angeschlagen in den Betrieb. Sie sind mit dem Kopf nicht bei der Arbeit und das Unfallpotenzial steigt. Für mich als Führungskraft wäre es hilfreich, Ideen und Anregungen zu erhalten, wie ich die Stimmung im Betrieb, in der Belegschaft verbessern kann. Hier würde ich mir definitiv mehr Unterstützung von der AUVA wünschen. Ein Leitfaden wäre eine super Sache! Es lässt sich nicht vermeiden, dass private Probleme mit in die Arbeit genommen werden, das war schon immer so. Aber in diesen unsicheren Zeiten, wie wir sie im Moment haben, wird das mehr. Die Menschen sind betrübt und machen sich Sorgen um die Zukunft. Diese allgemeine psychische Belastung abzufangen, ist letztlich auch Unfallverhütung. Als Arbeitgeber – und hier spreche ich nicht nur von mir – tut man sich oft schwer, mit psychischen Belastungen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter umzugehen. Der Aufgabenbereich geht immer mehr in die Richtung, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gut zu führen und zu motivieren. Da braucht es Unterstützung.

Wie erklären Sie einer Unternehmerin bzw. einem Unternehmer in aller Kürze die Vorteile von Prävention?

Die Formel ist einfach erklärt: Weniger Sachschäden und weniger Maschinenausfälle + weniger Personalausfälle durch Unfälle oder Krankheiten + gesunde und motivierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter = besserer wirtschaftlicher Erfolg für das Unternehmen.

… und was sagen Sie einer Arbeitnehmerin bzw. einem Arbeitnehmer über Prävention?

Als Chef bin ich sehr darum bemüht, den Arbeitsplatz so sicher und gesund wie möglich zu gestalten. Teilweise ist es aber schwierig, die Belegschaft zu sensibilisieren und sicherheitstechnisch weiterzuentwickeln. Man muss oft eine Gratwanderung machen zwischen dem, was technisch und in Bezug auf die Arbeitsgestaltung und -effizienz möglich ist, und dem, das wirklich sicherheitsrelevant ist. Um sicherheitstechnische Vorschriften im normalen Arbeitsalltag gut umzusetzen, braucht es das Commitment der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Man kann im Alltag nicht immer alles zu 100 Prozent einhalten. Die Analyse von „Beinahe-Unfällen“ bietet immer eine gute Chance zur Sensibilisierung. Wenn man Probleme und Gefahren anhand eines praktischen Beispiels gemeinsam bespricht und sich überlegt, wie man das verbessern kann, wird es auch von allen mitgetragen. Nur wenn Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verstehen, warum Maßnahmen sinnvoll sind, setzen sie diese auch um.

Sie wurden letztes Jahr mit der „Goldenen Securitas“ von AUVA und WKÖ in der Kategorie „Innovativ für mehr Sicherheit“ ausgezeichnet. Können Sie uns mehr über das Projekt erzählen?

Die Erfahrung hat gezeigt, dass das Abladen von Material durch Abkippen mit einem großen Risiko behaftet ist. Hindernisse, wie zum Beispiel Stromleitungen, Verkehrseinrichtungen und Brücken, oder Unfälle durch Umkippen des LKWs sorgen immer wieder für ein hohes Unfallpotenzial. Deswegen haben wir uns für den Einsatz der Abschiebetechnik entschieden. Weil die Fuhr nicht mehr abgekippt, sondern einfach nach hinten hinausgeschoben wird, sinkt die Unfallgefahr deutlich.

 

Die Auszeichnung hat uns sehr geehrt. Seit 1 ½ Jahren habe ich mit meiner zweiten Firma, der Nova Bautec, auch den Generalimport der Abschiebewägen für Österreich übernommen, weil ich von der Nützlichkeit und dem hohen Sicherheitspotenzial dieser Technik überzeugt bin. Die „Goldene Securitas“ hat uns sicherlich geholfen, mehr Bewusstsein zu schaffen. Das Interesse der Unternehmen steigt.

(Hier geht’s zum Video.)

Die Digitalisierung ist – nicht zuletzt durch die Corona-Pandemie – im Vormarsch. Hat diese Entwicklung auch Einfluss auf Ihre Branche? Welche Chancen und / oder Risiken sehen Sie?

In puncto Digitalisierung bin ich eher noch konservativ unterwegs, was nicht heißt, dass ich nicht mit der Zeit gehe. Für unsere Branche gäbe es sicher noch mehr an digitalem Equipment; ich schöpfe aber für mein Unternehmen bewusst (noch) nicht die vollen Möglichkeiten aus. Denn nicht alles, was technisch möglich ist, ist auch sinnvoll. Ich möchte zum Beispiel die Kommunikation mit den Fahrerinnen und Fahrern nicht digitalisieren und auch von der elektronischen Disposition der Fahrzeuge bin ich nicht überzeugt. Tracking und Kontrollen sind nicht mein Fokus. Ich möchte meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern nicht das Gefühl vermitteln, ständig kontrolliert zu werden. Wir können die Arbeit nur gemeinsam und miteinander bewältigen. Dafür braucht es eine gesunde Vertrauensbasis und den persönlichen Kontakt. Ich bestreite nicht, dass digitale Techniken eine gewisse Erleichterung bringen, der Mensch aber sollte immer im Vordergrund stehen.

Verraten Sie uns zum Schluss noch, welche 3 Eigenschaften Ihren persönlichen „best place to work“ ausmachen?

Am wichtigsten ist für mich ein angenehmes Betriebsklima: Jede Mitarbeiterin und jeder Mitarbeiter soll in der Früh gerne zur Arbeit kommen und sich wohlfühlen. Auch eine gute technische Ausstattung, mit der man gut und gerne arbeiten kann, gehört dazu. Drittens macht einen guten Arbeitsplatz aus, wenn man die individuellen Stärken der einzelnen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter so nutzt und einsetzt, dass im Team ein gemeinsames Ziel erreicht wird. Jede Mitarbeiterin und jeder Mitarbeiter braucht für sich geeignete und lösbare Aufgaben. Zum Beispiel halten manche Menschen mehr Druck aus als andere. Das erfordert ein Gespür für Menschen, den persönlichen Kontakt und Austausch und in weiterer Folge manchmal auch maßgeschneiderte Anforderungen. Aber am Ende fühlt sich jeder wohl und erbringt gute Leistungen.

Christoph Kössner (Foto: privat)

Christoph Kössner absolvierte die HTL Saalfelden mit der Reifeprüfung in Elektrotechnik. 1996 stieg er in den heimischen Betrieb Kössner GmbH & Co KG ein, ein Unternehmen für Erdbau und Erdbewegung. Vier Jahre später übernahm er die Firma und wurde Geschäftsführer. Kössner war ein Pionier beim Einsatz von Abschiebewägen und etablierte die Technik erfolgreich im Unternehmen. Im Jahr 2019 gründete er die Firma Nova Bautec Handels GmbH, und vertreibt die Geräte am Markt in Österreich.