Als Servicepartner für Prävention ist es uns wichtig zu wissen, mit welchen Herausforderungen verschiedene Branchen zu diesem Thema konfrontiert sind, wie Prävention in der jeweiligen Branche gesehen wird und was aus ihrer Sicht wichtige Entwicklungen für die Zukunft sind.
In der neunten Ausgabe unseres Formats „Prävention im Talk“ sprechen wir mit Claudia Irene Marton, Glaser-Meisterin und Vorsitzende der Berufsgruppe Glaser in der Wirtschaftskammer Niederösterreich.
"PRÄVENTION IM TALK"
Scherben bringen sprichwörtlich Glück, aber bei der Arbeit stellen sie mitunter ein Verletzungsrisiko dar. Welche Rolle spielen Arbeitsunfälle bzw. arbeitsbedingte Erkrankungen in Ihrer Branche?
Das Arbeiten mit Glas bereitet mir seit jeher sehr viel Freude. In jungen Jahren habe ich bereits im Betrieb meines Vaters gearbeitet. Die Arbeit mit Glas kann aber natürlich gefährlich sein, vor allem auf Baustellen. Durch Präventionsmaßnahmen und die Besprechung beziehungsweise Thematisierung der Gefahren hat sich aber schon sehr viel verändert. Es gibt nicht mehr so viele Unfälle und Verletzungen. Außerdem wird heutzutage zunehmend Sicherheitsglas verwendet, was auch eine Rolle spielt. Trotzdem ist und bleibt Glas in der Handhabung nicht ungefährlich, weil es immer brechen kann. Das bedeutet, man muss bei der Arbeit immer sehr wachsam sein, man muss wissen, wie Glas bricht, wie man es angreifen muss oder wie man es richtig lagert. In der Lehre wird angehenden Glaserinnen und Glasern dieses Wissen vermittelt. Mein Vater hat immer gesagt: „Man muss schneller sein, als das Glas bricht.“
Gerade in der modernen Architektur kommt Glas als Gestaltungselement vermehrt zum Einsatz. Welchen Einfluss hat diese Entwicklung auf die Arbeitsanforderungen und welche Herausforderungen ergeben sich dadurch in Bezug auf Arbeitssicherheit und Gesundheit?
Gläser werden immer größer und dicker, um den Anforderungen der modernen Architektur zu entsprechen. Zum Glück gibt es heute sehr gute Arbeitshilfen und Hebewerkzeuge, wie Kräne. Dadurch ist die Arbeit um vieles leichter geworden als noch vor 20 Jahren. Trotzdem gibt es immer wieder Situationen, wo man mit Hebewerkzeugen nicht hinkommt. Zum Beispiel bei Dachverglasungen, wo man, am Bauch liegend, die Glastafeln unter das Dach einfädeln muss.
Unser Beruf ist nach wie vor mit sehr viel Handarbeit verbunden – wir müssen das Glas tragen, kippen, hochstellen oder stützen. Die Wirbelsäule, die Schultern und Ellenbogen – der ganze Körper wird dabei sehr beansprucht. Ich hatte selbst vor vielen Jahren einen Bandscheibenvorfall, den ich zum Glück mit Training und Fitness wieder hinbekommen habe. Das Problem kommt in der Branche aber häufig vor. Den eigenen Körper fit zu halten und auf die Gesundheit zu achten, ist daher eine wichtige Voraussetzung, um lange und gesund arbeiten zu können. Das beginnt bei gesunder Ernährung, ausreichend Bewegung und der richtigen Körperhaltung bei der Arbeit. Vor allem richtiges Heben und Tragen spielt eine große Rolle; die AUVA bietet dazu sehr gute Seminare an.
Welche Präventionsaktivitäten setzen Sie in Ihrem Betrieb, um die Sicherheit und Gesundheit Ihrer Mitarbeiter:innen am Arbeitsplatz zu fördern?
Die Präventionsmappe (Sicherheits- und Gesundheitsschutzorganisation / SGO) von der AUVA ist sehr hilfreich. Ich bespreche die darin empfohlenen Maßnahmen und Unterweisungen einmal im Jahr mit allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Es ist sehr wichtig, dass mögliche Gefahren und der richtige Umgang damit immer wieder wiederholt werden, damit kein Schlendrian einzieht. Auch richtiges Heben und Tragen ist mir ein großes Anliegen. In der Organisation und Planung achte ich darauf, dass der Tagesablauf meiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unterschiedlich gestaltet ist, was die Arbeiten und die Bewegungsabläufe betrifft. Neben der Arbeit mit Bauglas machen wir auch Restaurierungen und Glasveredelungen. Deswegen ist die Arbeit recht vielseitig. Es gibt Tätigkeiten, die Kraft erfordern, und Tätigkeiten, wo es eher um Ruhe und Geduld geht.
In meinem Betrieb arbeiten sieben Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Die Atmosphäre ist sehr familiär. Wir sind ein eingespieltes Team, wo jeder Handgriff sitzt und wir uns aufeinander verlassen können. Das ist in einem Beruf, bei dem es um Sicherheit geht, sehr wichtig. Hier hat man als kleiner Betrieb sicher einen Vorteil gegenüber größeren Betrieben. Bis auf einen Mann besteht mein Team aus Frauen. Das ist bis dato eher selten in der Branche, obwohl die Zahl der Frauen größer wird. Für Frauen ist die körperliche Anstrengung natürlich größer und sie haben die Doppelbelastung mit der Familie. Das gilt es in der Prävention auch zu berücksichtigen. Ich habe bereits rund dreizehn Frauen ausgebildet, viele davon arbeiten noch heute in meinem Betrieb.
Wir sind ein Nichtraucherbetrieb und legen es unseren Mitarbeitenden nahe, für körperlichen Ausgleich zu sorgen. Im Rahmen unserer Möglichkeiten versuchen wir so gut wie möglich auf die betriebliche Gesundheitsförderung zu achten und der Belegschaft etwas zu bieten. Meine Tochter, die auch im Betrieb arbeitet, ist da sehr dahinter und bietet zum Beispiel Yoga-Einheiten per Video an. Glücklicherweise sind alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sehr sportlich, da brauchen wir nicht viel zu tun.
Was wünschen Sie sich von der AUVA in puncto Zusammenarbeit mit Ihrer Branche?
Ich bin sehr zufrieden mit der AUVA. Die Präventionsmappe gibt es schon viele Jahre und ich kenne und nutze sie von Anfang an. Die Mappe funktioniert in vielen Betrieben sehr gut. Sie wird auch regelmäßig überarbeitet, um aktuellen Anforderungen gerecht zu werden.
Für die Berufsgruppe der Glaserinnen und Glaser in Wien, Niederösterreich und dem Burgenland haben wir mit der AUVA ein jährliches Kontingent für den Dacharbeiten-Lehrgang für sicheres Arbeiten auf Dächern ausgehandelt, der immer am Jahresanfang in der Höhenwerkstatt abgehalten wird. Ein solches Angebot gab es davor nicht und die Betriebe nehmen es gerne an, denn den Mitarbeitenden werden Situationen aufgezeigt, die passieren können und die man normalerweise nicht übt. In Niederösterreich wird das Angebot zudem von der Landesinnung gefördert. Also zusammengefasst bin ich sehr begeistert vom Angebot der AUVA und derzeit sind keine Wünsche offen.
Wie erklären Sie einer Unternehmerin bzw. einem Unternehmer in aller Kürze die Vorteile von Prävention?
Prävention verhindert nicht nur menschliches Leid, sondern ist für Betriebe im Ernstfall auch eine Absicherung. Jährliche Unterweisungen sorgen für mehr Sicherheit. Wenn man in Richtung Prävention nichts tut, ist man als Betrieb angreifbar. Auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter fühlen sich nicht wohl, wenn sie merken, dass nicht auf ihre Sicherheit und Gesundheit geachtet wird.
… und was sagen Sie einer Arbeitnehmerin bzw. einem Arbeitnehmer über Prävention?
Dass es am Ende des Tages um ihre eigene Sicherheit und Gesundheit geht. Beim Thema Prävention denken viele, dass sie das kennen und wissen. Aber der Alltag ist eine eigene „Berufskrankheit“, man sieht gewisse Sachen einfach nicht mehr. Und das ist gefährlich. Deswegen ist es für mich als Arbeitgeberin wichtig, Inhalte durch Unterweisungen, Vorträge, Seminare oder Gespräche immer wieder ins Bewusstsein zu bringen. Auch wenn man sich dabei wiederholt. Man hat nur eine Gesundheit und ein Leben und damit sollte man vorsichtig umgehen!
Die Digitalisierung ist – nicht zuletzt durch die Corona-Pandemie – im Vormarsch. Hat diese Entwicklung auch Einfluss auf Ihre Branche? Welche Chancen und / oder Risiken sehen Sie?
Ich persönlich finde die Digitalisierung gut. So vereinfachen zum Beispiel Besprechungen mittels Video-Calls vieles und man spart sich Kilometer. Mit digitalen und sozialen Medien eröffnen sich auch neue Märkte und Betriebe erhalten eine großartige Chance, auch weiter weg publik zu werden. Wir bekommen heute Aufträge, mit denen ich nie gerechnet hätte.
Aber natürlich birgt diese Entwicklung auch Gefahren. Wenn, wie heutzutage, viel über den Preis verkauft wird, geht das immer zu Lasten der Qualität und damit zu Lasten des Endkunden, denn „wer billig kauft, kauft teuer“. Leider herrscht hier oft wenig Bewusstsein. Man kann Handwerk nicht vollauf digitalisieren. Vor allem die alten, überlieferten Techniken, wo sich jeder Handgriff über viele Jahre entwickelt hat. Das muss man spüren und das geht nicht digital. Viele Betriebe arbeiten mit Maschinen, was dazu führt, dass viele handwerkliche Techniken in Vergessenheit geraten. In meinem Betrieb machen wir nach wie vor viel Handwerk. Mir ist es aber andererseits auch wichtig, nicht stehen zu bleiben, und ich möchte mich ständig weiterentwickeln. Durch die Kombination von zeitgenössischem Bauen mit alten Handwerkstechniken ergeben sich spannende und erfüllende, neue Aufgabengebiete.
Verraten Sie uns zum Schluss noch, welche 3 Eigenschaften Ihren persönlichen „best place to work“ ausmachen?
Für mich ist es wichtig, dass wir ein großartiges Team sind. Dann geht man gerne arbeiten und bringt gute Leistungen. Man schafft vieles, von dem man vorher nicht geglaubt hätte, dass man es schafft. Weil das für mich so eine wichtige Grundvoraussetzung ist, achte ich bei der Einstellung von neuen Mitarbeiterinnen oder Mitarbeitern auch sehr darauf, dass die Person zu uns passt. Eine zweite Voraussetzung ist für mich eine gute Qualität. Diese möchte ich meinen Kunden liefern und deswegen achte ich auch auf die Qualität bei Materialien und beim Werkzeug. Und drittens verleihen mir zufriedene und begeisterte Kundinnen und Kunden wahrhaft Flügel.