Wie Kühlungsmaßnahmen das Arbeiten in Schutzanzügen erträglicher machen können.

Schutz und doch Belastung: Chemikalienschutzanzug (CSA) im medizinischen Umfeld (Foto: Halfpoint/AdobeStock)

Bestimmte Gefahrensituationen oder Stoffe erfordern im Zuge der Tätigkeit von Hilfsorganisationen, medizinischem Personal oder Industrievorgängen den Einsatz von Chemikalienschutzanzügen (CSA) als Persönliche Schutzausrüstung (PSA). Die hohe Schutzwirkung dieser Bekleidung basiert dabei auf der hohen Barrierewirkung der verwendeten Materialien – mit dem Ziel, die Gefahrstoffe in den unterschiedlichen Aggregatzuständen (fest, flüssig, gasförmig) von der Person fern zu halten (z. B. beim Arbeiten mit giftigen oder krebserregenden Stoffen, biologischen Erregern, …).

 

Das Fernhalten solcher Gefahrstoffe vom Menschen bedeutet gleichzeitig aber auch eine eingeschränkte Möglichkeit der Ventilation – das heißt, durch den fehlenden Abtransport der Hitze aus dem Anzug kommt es zu verstärkter Hitzebelastung und Schweißbildung. Durch das Tragen des Chemikalienschutzanzugs erfährt die Person eine zusätzliche körperliche Belastung. Daher sind auch in diesen Situationen aus Sicht des ArbeitnehmerInnenschutzes Tragezeitbegrenzungen zu beachten. Diese sind zwar in Österreich nicht gesetzlich verankert, aber die deutsche DGUV Regel 112-190 bietet sachlich begründete Orientierungszeiten für den Einsatz von Atemschutzmasken (siehe Tabelle 1). In Kombination mit einem Chemikalienschutzanzug wird als Empfehlung die dort angeführte Tragezeit mit einem Faktor von 0,8 multipliziert. Für die Verwendung einer FFP2–Maske ohne Ausatemventil werden z. B. 75 Minuten angeführt. Multipliziert mit dem Faktor 0,8 ergibt das für den kombinierten Einsatz mit einem Chemikalienschutzanzug eine maximale Tragezeit von 60 Minuten. Diese Tragezeit-Empfehlungen gelten zwar nicht für Notfälle, jedoch sollten auch in solchen Ausnahmesituationen Belastungszeiten im Sinne der Gesundheit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Auge behalten werden.

Empfehlungen für die Einsatzzeiten von Atemschutzmasken

Schutzmaske Tragedauer Erholungsdauer Einsätze pro 8-Stunden-Schicht
filtrierende Halbmaske ohne Ausatemventil 75 Minuten 30  Minuten 5
filtrierende Halbmaske mit Ausatemventil 120 Minuten 30  Minuten 3
Halbmaske mit Filter 120 Minuten 30  Minuten 3
Vollmaske 105 Minuten 30  Minuten 3

Tabelle 1 (Quelle: AUVA-Merkblatt: M719 „Atemschutzfilter gegen Schwebstoffe, Gase und Dämpfe“, S.33, nach DGUV-Regel 112-190)

Arbeiten im Chemikalienschutzanzug (CSA) erfordert Erholungszeiten (Foto: R. Reichhart)

Arbeiten im Chemikalienschutzanzug – eine zusätzliche körperliche Belastung

Im Zuge einer Studie aus dem Jahr 2013 konnte gezeigt werden, dass beim Tragen von Chemikalienschutzanzügen Typ 4 OHNE Atemschutzgeräte neben der vermehrten Schweißproduktion und der mit der Wärmeproduktion einhergehenden subjektiv zunehmenden Belastung auch die Herzfrequenz und die Körpertemperatur bei einer Tragezeit von 2 Stunden signifikant zunahm. Gleichzeitig kam es aber zu einem Absinken des systolischen wie auch des diastolischen Blutdruckes, was die Autoren als ein Zeichen von Dehydratation werteten (vgl. Schlieter & Hoffmann, 2014).

 

Das hohe Ziel, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gegen die gefährlichen äußeren Einflüsse zu schützen, bedeutet also auch eine hohe zusätzliche körperliche Belastung durch die eingesetzte PSA. Kann die Belastung jedoch nicht abgesenkt werden, kommt es zu schnellerer Ermüdung und Erschöpfung der Personen und zum Auftreten von Konzentrationsfehlern. Diese können im schlimmsten Fall fatale Folgen haben.

 

Belastungsreduktion durch STOP

Um die zusätzliche körperliche Belastung durch das Tragen eines Chemikalienschutzanzugs zu verringern, kann im Sinne des ArbeitnehmerInnenschutzes nach dem STOP-Prinzip vorgegangen werden. Durch die Reduktion der Belastung kann auch die Arbeitszeit im Anzug verlängert (vgl. Hader, 2009) und, im Falle der Verwendung von Einweganzügen, gleichzeitig deren Verbrauch gesenkt werden.

Gefährliche Arbeitsstoffe durch weniger gefährliche zu ersetzen, wird lediglich im industriellen Einsatz eine Option darstellen. Beim Einsatz durch Hilfsorganisationen gibt es diese Möglichkeiten nicht, da Hilfsorganisationen auf die Ursache Ihres Einsatzes keinen Einfluss nehmen können.

Eine technische Maßnahme wäre die Änderung der Umgebungstemperatur, was eine Verwendung von Klimageräten notwendig macht. Eine Umgebungstemperatur von 18-24°C, wie sie die Arbeitsstättenverordnung (AStV) bei normaler körperlicher Belastung vorsieht, stellt aber bei der Verwendung eines Chemikalienschutzanzuges bereits eine Hitzebelastung dar. Findet der Einsatz bei höheren Temperaturen, z. B. bei sommerlicher Hitze, in einem Zelt, nahe einer Hitzequelle, … statt, ist die körperliche Belastung entsprechend höher.

Organisatorisch ist, wie eingangs erwähnt, auf die Tragezeit-Empfehlungen beim Tragen eines Chemikalienschutzanzugs zu achten. Durch die beschriebene zusätzliche körperliche Belastung ist es ratsam, den Allgemeinzustand wie Kreislauf und Hydrierung der betroffenen Personen zu beobachten bzw. auch regelmäßig abzufragen. Der Natriumverlust sowie die Schweißmenge pro Zeiteinheit haben u. a. einen starken genetischen Einflussfaktor. Während eine Person bei derselben objektiven Belastung 250 mg Natrium pro Liter Schweiß verlieren kann, sind es bei einer anderen bis zu 2.400 mg Natrium pro Liter Schweiß (vgl. Precision Hydration, Baker 2017). Das Empfinden von Hitze und Schweißverlust kann daher von Person zu Person sehr unterschiedlich sein. Während eine verbesserte Ausdauerleistungsfähigkeit und die Gewöhnung an Hitze diese Unterschiede verringern, bleiben die individuellen Natriumkonzentrationen und damit auch die individuellen Unterschiede in der Belastungsverträglichkeit trotzdem weitgehend konstant.

 

Praxistipp:

Personen, die erstmals in einem Chemikalienschutzanzug arbeiten, sollten sich auch an die ungewohnte Belastungssituation (Hitze im Anzug, Atemwiderstand durch die Maske, ungewohnte Arbeitsbedingungen …) anpassen dürfen. Auch seitens der Kolleginnen und Kollegen ist Verständnis für die unterschiedlichen Belastungsverträglichkeiten gefordert.

Auf persönlicher Ebene geht es darum, die Auswirkungen der „Hitzebelastung“ beim Tragen eines Chemikalienschutzanzugs zu verringern. In diesem Fall handelt es sich dabei um den Anstieg der Körperkerntemperatur mit einhergehendem Flüssigkeitsverlust. Es gilt daher, den Köperkerntemperaturanstieg und damit auch den Flüssigkeitsverlust zu reduzieren, um die Belastung zu verringern. Geeignete Kühlmaßnahmen können sowohl vor der Belastung, in Pausen, nach der Belastung und je nach technischer Ausrüstung auch simultan während der Belastung eingesetzt werden.

Die Kühlanwendung kann vor, während und nach einer Belastung erfolgen (vgl. Ückert 2012) (Foto: lwtaf).

Kühle Getränke oder eine kalte Dusche, zu denen auch bei Hitzewellen im Sommer geraten wird, können auch hier als geeignete Maßnahmen gesehen werden. Eine kalte Dusche wird aber schon aus zeitlichen Gründen nicht nach jeder Belastungsphase im Chemikalienschutzanzug möglich sein. Es können aber z. B. auch Pausenräume für belastete Personen kühler gehalten werden als andere Arbeitsbereiche. Auch gekühlte Kleidung kann vor und nach der Belastung eingesetzt werden (z. B. Wechselkleidung im Kühlschrank aufbewahren), wenngleich diese Maßnahmen oft nur von kurzer Wirkung sind, da beispielsweise Baumwolle als Kühlmedium nur sehr kurz wirkt.

Wärmebild: Wirkung einer Kühlweste (blau = kühler Bereich, rot = warmer Bereich) (Foto: lwpft)

Lösungsansatz: Einsatz von Kühltextilien

Es gibt jedoch spezielle Materialien, die z. B. vermehrt Wasser speichern können. Diese werden in Form von Kühlwesten und anderen Bekleidungsstücken (kühlende Kopfbedeckung, Unterarmkühler, Wadenkühler, …) zum Einsatz gebracht. Durch die Verdunstung des Wassers aus diesen sogenannten „Evaporationskühlern“ wird dem darunterliegenden Medium – in diesem Fall der Haut – (Wärme-)Energie entzogen. Dadurch entsteht der Kühleffekt.

 

Es könnte als Nachteil angesehen werden, dass bei Verwendung dieser Textilien zusätzlich Feuchtigkeit freigesetzt wird und diese im Anzug bleibt. Da Einweganzüge nach der Verwendung entsorgt werden, stellt die zusätzliche Feuchtigkeit bei diesen Anzügen ein geringeres Problem dar. Auch wenn Personen die Feuchtigkeit im Anzug mitunter als unangenehm wahrnehmen, führt sie doch zu einer geringen körperlichen Belastung, da sich aus der Feuchtigkeit ein Kühleffekt ergibt, durch den die Person letztendlich weniger schwitzt. Die kurzfristig unangenehme Wahrnehmung wird also durch eine längerfristig niedrigere Belastung kompensiert. In von Herstellern dieser Textilien in Auftrag gegebenen Untersuchungen konnte damit in der Praxis eine Verdopplung der möglichen Tragezeit-Empfehlungen für den Chemikalienschutzanzug ermittelt werden.

 

Um dem Problem der Feuchtigkeit entgegenzuwirken, können als Alternative auch sogenannte Phase-Change-Cooling Materialien (PCM) zum Einsatz gebracht werden. Diese werden vorgekühlt und nehmen, solange sie sich im festen Aggregatzustand befinden, Wärmeenergie auf und kühlen somit den Körper ab. Da diese Materialien im festen Aggregatzustand eine (je nach Produkteigenschaft) definierte Temperatur (> 0°C) haben, verringern sie die Gefahr, dass die Hautoberfläche Erfrierungen erfährt, wie es zum Beispiel bei der Verwendung von herkömmlichen Eisbeuteln passieren kann. Im Vergleich zu den Evaporationskühlern (bei denen, wie oben beschrieben, lediglich Wasser und das Verdunstungsprinzip zum Einsatz kommen) wird für die Phase-Change-Cooler auch eine entsprechende Logistik benötigt, um die Materialien entsprechend vorkühlen zu können.

 

Chance für die Praxis

Die unterschiedlichen Kühlmöglichkeiten können nicht nur, aber vor allem beim Einsatz von Chemikalienschutzanzügen herangezogen werden, da hier auch schon bei geringeren Temperaturen eine zusätzliche Hitzebelastung vorherrscht. Durch die mögliche Verlängerung der Tragezeit-Empfehlungen kann beispielsweise die Standzeit bei Wartungsarbeiten sowie die Anzahl der benötigten Personen und Anzüge verringert werden. Dadurch lassen sich eventuell auch Kosten senken, die normalerweise durch spezielle Unterweisungen, Standzeiten von Anlagen und eine hohe Anzahl von eingesetzten Anzügen anfallen. Kosten, die mit dem Ankauf von Kühltextilien in Zusammenhang stehen, können so kompensiert werden.

 

Gerade bei Hilfsorganisationen kann der Einsatz von Kühlmaßnahmen bzw. Kühltextilien zu einer Schonung der personellen und materiellen Ressourcen führen und so zu einer Entlastung kritischer Situationen beitragen.

  • AUVA (2013). M719 Atemschutzfilter gegen Schwebstoffe, Gase und Dämpfe. Wien.
  • Baker, Lindsay. (2017). Sweating Rate and Sweat Sodium Concentration in Athletes: A Review of Methodology and Intra/Interindividual Variability. Sports Medicine. 47. 1-18. 10.1007/s40279-017-0691-5.
  • Baker, L. & Jeukendrup, A. (2014): Optimal Composition of Fluid-Replacement Beverages. In Comprehensive Physiology, 4, S. 575–620.
  • Blow, A. How to estimate how much sodium you lose in your sweat. https://www.precisionhydration.com/blogs/hydration_advice/how-to-estimate-sweat-salt-loss (abgerufen 15.02.2017)
  • DGUV Regel 112-190. (2011). Benutzung von Atemschutzgeräten. Herausgeber: Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung e.V. (DGUV).
  • Hader, G. (2009). TESTREPORT Zytron 400 i (Chemie-Schutzanzug).
  • https://www.e-cooline.de/assets/Uploads/TESTREPORTZytron-400-i-deutsch-Chemieschutzanzug.pdf (abgerufen 24.3.2020)
  • Hagner, K., Linnenberg, C., Werner, A., Tandon, R. & Overkamp, A. (2018). Entlastungsmöglichkeiten beim Tragen impermeabler ABC-Schutzausrüstung. In Weidner, Robert & Karafillidis, Athanasios. (2018). Technische Unterstützungssysteme, die die Menschen wirklich wollen (Band zur dritten transdisziplinären Konferenz 2018).
  • Schlieter, A. & Hoffmann, G. (2014). Untersuchungen zur Tragezeitbegrenzung bei Chemikalienschutzanzügen. ASU Arbeitsmed Sozialmed Umweltmed 2014; 49: 446–451.
  • Ückert, S. (2012). Temperaturmanagement durch Kälteapplikation im Sport. Leistungssport, 42(5), pp. 25-30.

(Beitrag erschienen am 24.04.2020)