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Als Servicepartner für Prävention ist es uns wichtig zu wissen, mit welchen Herausforderungen verschiedene Branchen zu diesem Thema konfrontiert sind, wie Prävention in der jeweiligen Branche gesehen wird und was aus ihrer Sicht wichtige Entwicklungen für die Zukunft sind. 

(© Studio Fasching Bregenz)
(© Studio Fasching Bregenz)

In der siebenten Ausgabe unseres Formats „Prävention im Talk“ sprechen wir mit Bernhard Bär, Sortimentsmanager Arbeitsschutz bei der Firma Haberkorn GmbH, über seine Erfahrungen und Gedanken zum Thema Prävention.

"PRÄVENTION IM TALK"

Als Sortimentsmanager für Arbeitsschutz haben Sie täglich mit Präventionsthemen zu tun. Wie hat sich Ihrer Meinung nach die Einstellung der Unternehmen zu Arbeitsschutz-Produkten verändert?

Die Einstellung und Sensibilisierung zur Persönlichen Schutzausrüstung (PSA) und zur Arbeitssicherheit unterscheidet sich stark, je nach Größe und Art der Unternehmen und je nach Branche. Moderne, gut strukturierte und größere Unternehmen nehmen das Thema sehr ernst und sind darum bemüht, die gesetzlichen Vorschriften einzuhalten. Sie haben erkannt, dass der Return on Investment (RoI) beim Arbeitsschutz und der betrieblichen Gesundheitsförderung ausgezeichnet ist: Jeder Euro und jede Energie, die sinnvoll investiert werden, kommen mehrfach durch Einsparungen, gute Unternehmenskultur, längere Zugehörigkeit und Zufriedenheit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter etc. retour.

 

Je unstrukturierter der Betrieb, desto weniger Sensibilität gibt es für Arbeitsschutz. Auch manche Handwerkszunft sieht hier mehr lästiges Übel. Das ist zumindest meine Erfahrung. Hier gibt es häufig kein klares Bekenntnis der Geschäftsleitung, geschweige denn eine Sicherheitskultur oder definierte Prozesse. Wenn jemand Prävention nur nebenher, sozusagen „on top“ mitmacht und es als lästige Notwendigkeit angesehen wird, bleibt das auch so und der Erfolg der Maßnahmen ist dementsprechend beschränkt. Natürlich ist das bei weniger Personal auch immer eine Ressourcenfrage. Aber es ist auch eine Sache der Sensibilisierung. In Österreich gibt es diesbezüglich viel Potenzial nach oben. Ein Beispiel: Als neugieriger Mensch, der für seinen Beruf brennt, schaue ich natürlich immer, wie es in anderen Ländern aussieht. Während eines Australienurlaubs ist mir aufgefallen, dass dort sämtliche Arbeiterinnen und Arbeiter ausnahmslos langärmelige UV-Schutzkleidung tragen, egal wie heiß es draußen ist. In Australien sind das Bewusstsein und die Sensibilisierung zum Thema UV und Sonnenschutzprodukte dementsprechend hoch. Die Menschen achten von allein und selbstverständlich auf den Schutz ihrer Haut. Dort lernt jedes Schulkind bereits den Spruch „Slip! Slop! Slap!” (Slip on a shirt, slop on 50+ sunscreen, slap on a hat).

Was sind in Ihrem Fachbereich zentrale Herausforderungen in Bezug auf die Sicherheit und Gesundheit von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern? Wie spiegelt sich das in der Forschung & Entwicklung bzw. bei den Produktinnovationen für Persönliche Schutzausrüstung (PSA) wider?

Als Sortimentsmanager entwickle und gestalte ich Produkte und Dienstleistungen für Arbeitsschutz, die aktuelle Trends und langfristige Entwicklungen berücksichtigen. Zum Beispiel steigt durch den demografischen Wandel das Durchschnittsalter in der Gesellschaft und somit jenes der Anwenderinnen und Anwender. Auch – zum Teil kulturell bedingte – körperliche Extreme, wie sehr große Kleidungsgrößen oder Schuhgrößen, gilt es zu berücksichtigen. Die Digitalisierung ist natürlich einer der wesentlichsten Treiber für Produktinnovationen. Die Nachfrage nach nachhaltigen Produkten steigt auch bei Großkunden; natürlich noch nicht so wie im Privatbereich, aber der Wunsch kommt vermehrt und man muss darauf reagieren. Last but not least wachsen unsere Dienstleistungen in Quantität und Qualität. Es geht nicht mehr nur darum, Produkte zur Verfügung zu stellen. Die Beratung und die Auswahlhilfe werden von den Unternehmen sehr geschätzt und auch gefordert.

 

Zusammengefasst verändern gesellschaftliche Entwicklungen und Trends die Ansprüche an Design und Funktion. Als Bindeglied zwischen den Herstellerinnen und Herstellern einerseits und den Kundinnen und Kunden andererseits, vermittle ich zwischen deren Herausforderungen / Problemen und möglichen Lösungen. Daraus wird das optimale Sortiment gestaltet und die Produkte bzw. Dienstleistungen entwickelt, die die Unternehmen wirklich brauchen. Seitens der Herstellerinnen und Hersteller werden Insights aus der Kundenperspektive sehr geschätzt. Denn so wird ihnen die Marktforschung quasi abgenommen und sie haben weniger Risiko bei der Entwicklung.

Welche Rolle spielt Prävention bei der Firma Haberkorn selbst? Welche Präventionsaktivitäten setzen Sie, um Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz zu fördern?

Prävention spielt bei Haberkorn eine zentrale Rolle. Als Marktführer für Arbeitsschutzprodukte kann man es sich auch gar nicht leisten, hier keinen guten Job zu machen! Dabei geht es um die Erfüllung der gesetzlichen Vorgaben beim Arbeitsschutz, darüber hinaus aber um die Erhaltung der Leistungsfähigkeit und Zufriedenheit der Belegschaft, sowie die Etablierung einer positiven Sicherheits- und Gesundheitskultur. Als Handelsunternehmen gibt es bei uns zwei Gruppen an Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern: Verwaltungs- und Logistik-Personal. In der Verwaltung spielt z. B. das Thema Ergonomie eine wichtige Rolle, sowie auch die psychische Gesundheit. Es gibt z. B. Fortbildungen zum Thema Stress und Resilienz, Yoga und Massageangebote. Diese Angebote können auch Logistikmitarbeiterinnen und -mitarbeiter komplett nutzen. Für die Logistik und Werkstätten gibt es darüber hinaus seit kurzem wahlweise eine 4- oder 4,5 Tage-Woche, hochwertigste persönliche Schutzausrüstung, höhenverstellbare ergonomische Arbeitsplätze und Unterstützung nach dem letzten Stand der Technik. Zum Beispiel werden aktuell verschiedene Exoskelett-Systeme auf deren Wirksamkeit und Akzeptanz von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern getestet.

Was wünschen Sie sich von der AUVA in puncto Zusammenarbeit mit Ihrer Branche?

Unsere Zusammenarbeit mit der AUVA besteht bereits seit Jahrzehnten. Als Haberkorn in den 1970er Jahren das Arbeitsschutzsortiment eingeführt hat, war jede Firma im Arbeitsschutz ein Pionier. Das ArbeitnehmerInnenschutzgesetz (ASchG) gab es noch nicht und es gab insgesamt wenige Produkte und Prozesse. Die Notwendigkeit sich auszutauschen, war dementsprechend hoch. Mit der AUVA gab es von Beginn an einen guten Kontakt und eine gute Zusammenarbeit, weil wir letztlich das gleiche Ziel haben, den ArbeitnehmerInnenschutz nach vorne zu bringen.

 

Die AUVA macht einen sehr guten Job. Wir schätzen die Präventionsmaßnahmen, die kompetenten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und die treffsicheren Kampagnen. An diese knüpfen wir auch gerne an und versuchen, unseren Beitrag zu leisten und Unternehmen darüber zu informieren. Als es vor einigen Jahren den Präventionsschwerpunkt zum Thema UV-Schutz gab, bin ich als Sortimentsmanager auf die Herstellerinnen und Hersteller zugegangen und habe sie auf die Kampagne aufmerksam gemacht. Ich habe gefragt, ob sie zu dem Thema fit sind und ob es ein Sortiment dafür gibt. Die Mehrheit der Hersteller hat sich für diesen Input bedankt. Sie haben ihr Sortiment geprüft und – wo nötig – Produkte entwickelt. Seit der Kampagne haben fast alle Herstellerinnen und Hersteller UV-Schutzbekleidung in ihrem Sortiment. Oft braucht es Kampagnen wie diese oder genügend Kundinnen und Kunden, die ein Problem haben, damit etwas geschieht.

 

Ich habe aktuell an die AUVA keine offenen Wünsche. Im Gegenteil wünsche ich der AUVA auch in Zukunft genügend Budget und Ressourcen, damit sie ihren Auftrag auch weiterhin quantitativ und qualitativ optimal durchführen kann.

Wie erklären Sie einer Unternehmerin bzw. einem Unternehmer in aller Kürze die Vorteile von Prävention?

Eine gute Präventionsarbeit hat viele Vorteile: Weniger Krankenstände, mehr Produktivität, mehr Bewerbungen, weniger Fluktuation, weniger Kosten, eine gute Unternehmenskultur, Wertschätzung für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, u. v. m.

 

Moderne Unternehmen erkennen den Return on Investment (RoI): Jeder Euro, der sinnvoll und gezielt investiert wird, kommt laut evidenten Studien im Verhältnis 1:3 zurück. Manche Unternehmen haben eigene Studien dazu gemacht und kommen teilweise sogar auf einen RoI von 1:15. Unfälle kosten Geld, Energie und schädigen das Image. Wenn es heißt: „In der Firma XY ist es gefährlich zu arbeiten“, wird es schwierig, neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu gewinnen. Das kann und sollte sich in Zeiten des Fachkräftemangels kein Unternehmen leisten.

 

Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sollten sich aktiv einbringen (können), wenn es Ideen und Verbesserungswünsche zur Prävention oder zur PSA gibt. Prävention bietet eine super Chance, eine tolle Unternehmenskultur zu etablieren. Wichtig ist dabei, dass Prävention als Wertschätzung bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ankommt. Es geht darum, ihnen das Gefühl zu vermitteln „Du und deine Gesundheit sind uns wichtig, wir kümmern uns um dich!“. Menschen spüren recht schnell, wenn nur die Mindestanforderungen erfüllt werden.

… und was sagen Sie einer Arbeitnehmerin bzw. einem Arbeitnehmer über Prävention?

Das ist eine spannende Frage! Wenn man als junger Mann auf der Baustelle ohne UV-Schutz arbeitet, denkt man freilich nicht an die Auswirkungen von 20 Jahren intensiver Sonneneinstrahlung. Deshalb kommt es in der Kommunikation auf mehrere Punkte an. Zum einen müssen Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber Präventionsmaßnahmen durchführen, um die gesetzlichen Anforderungen zu erfüllen. Aber man muss die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Kommunikation ins Boot holen und ihnen erklären, warum es wichtig ist, Regeln und Vorschriften einzuhalten. Ja, es ist nicht immer angenehm eine Schutzausrüstung zu tragen. Aber es ist wichtig, um am Abend nach der Arbeit wieder gesund nach Hause zu gehen. Eine gut kommunizierte Präventionsarbeit ist eine riesige Chance eine tolle Sicherheits- und Unternehmenskultur zu etablieren. Ich empfehle jedem Unternehmen, regelmäßig einen kurzen „Sicherheitsplausch“ abzuhalten. Das muss gar nicht lange sein, 15 Minuten reichen. Es wird kurz besprochen, was seit dem letzten Mal passiert ist und ob es Beinahe-Unfälle oder kritische Situationen gab. Wenn man das über Jahre macht, etabliert sich langsam, aber stetig eine Kultur der Prävention.

Die Digitalisierung ist – nicht zuletzt durch die Corona-Pandemie – im Vormarsch. Hat diese Entwicklung auch Einfluss auf Ihre Branche? Welche Chancen und / oder Risiken sehen Sie?

Im Arbeitsschutz bietet die Digitalisierung ähnliche Chancen und Risiken wie im gesamten Leben. Wenn Produkte und Services smart werden und im Internet of Things miteinander verbunden sind bzw. miteinander kommunizieren, kann das das (Arbeits-)Leben in vielen Bereichen erleichtern. Zum Beispiel kann die Überprüfung von PSA durch digitale Tools erleichtert werden. Und im Arbeitsschutz können digitale Lern- und Unterweisungsinhalte (kombiniert mit persönlichen Gesprächen) komfortabel sein. Das Smartphone, das heutzutage fast alle jederzeit griffbereit haben, bietet hier praktische Möglichkeiten. Aber es gibt wie immer auch Kehrseiten: Datenschutz, Nachvollziehbarkeit und unerlaubte Kontrollen sind hier ein paar Schlagwörter. Chancen und Gefahren müssen abgewogen werden, Gefahren müssen minimiert werden.

Verraten Sie uns zum Schluss noch, welche 3 Eigenschaften Ihren persönlichen „best place to work“ ausmachen?

Für mich sehr wichtig – und da fasse ich mich am Ende kurz und prägnant – sind folgende Dinge:
1. Unternehmenskultur: Gesprächskultur, Sicherheitskultur, Fehlerkultur
2. Fairness: Arbeitsbedingungen, Bezahlung, Arbeitszeiten
3. Sinnstiftung: Sinnstiftende Arbeit, Einbeziehung in Entscheidungen, offene Kommunikation

(© Haberkorn)

Die Firma Haberkorn ist ein technischer Großhändler für Industrie- und Bauunternehmen mit einem Sortiment für Arbeitsschutz. Das Familienunternehmen mit Sitz in Wolfurt / Vorarlberg wurde 1932 von Leopold und Frieda Haberkorn gegründet. Heute zählt Haberkorn mit mehr als 2.200 Mitarbeitern und über 30 Standorten in Österreich, Deutschland, Osteuropa und der Schweiz zu den führenden technischen Händlern und zu einem europaweit bedeutenden Arbeitsschutz-Spezialisten. Bernhard Bär hat erste berufliche Erfahrungen bei Doppelmayr Seilbahnen im After Sales Service und bei der Sparkasse Bregenz als Filialleiter gesammelt. Seit 2004 arbeitet er als Sortimentsmanager für Arbeitsschutz bei Haberkorn. Weiters ist er Teammitglied bei der betrieblichen Gesundheitsförderung und engagiert sich für Nachhaltigkeit im Sortiment und den Prozessen.