Als Servicepartner für Prävention ist es uns wichtig zu wissen, mit welchen Herausforderungen verschiedene Branchen zu diesem Thema konfrontiert sind, wie Prävention in der jeweiligen Branche gesehen wird und was aus ihrer Sicht wichtige Entwicklungen für die Zukunft sind. 

(Foto: LINTNER)
(Foto: LINTNER)

In der zehnten Ausgabe von „Prävention im Talk“ sprechen wir mit Ing. Markus Lintner, Geschäftsführer der Lintner Sicherheitstechnik GmbH und Preisträger der „Goldenen Securitas“ 2021, über seine Erfahrungen und Gedanken zum Thema Prävention.

"PRÄVENTION IM TALK"

Als Unternehmer im Bereich Sicherheitstechnik kümmern Sie sich um die Sicherheit Ihrer Kundinnen und Kunden. Wo sehen Sie in Ihrer Branche besondere Herausforderungen für die Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz?

Wir sind ein Dienstleistungsbetrieb. Zwei Drittel meiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter arbeiten auf Montage, ein Drittel ist im Büro. Die Monteurinnen und Monteure fahren im Schnitt 30.0000 km im Jahr und sitzen jeden Tag fünf bis sechs Stunden am Steuer. Die Verkehrssicherheit und Ergonomie sind hier wichtige Themen. Auch die richtige Ladungssicherung ist von Bedeutung. Gerade in den vergangenen Tagen war das ein Thema. Mit wie viel Kilo darf das Fahrzeug beladen werden, und wo steht das? Wir fahren mit kleinen Lkw; alleine das Werkzeug wiegt oft schon 300 Kilo.

 

Eine weitere Gefahr für die Sicherheit stellen Überlastung und Stress dar. Wir sind ein Notdienst und müssen entsprechend schnell reagieren – etwa, wenn sich ein Kunde versehentlich eingesperrt hat. Hier kommt es immer wieder zu Stresssituationen, die das Personal an die Grenzen bringen.

Welche Präventionsaktivitäten setzen Sie in Ihrem Betrieb, um die Sicherheit und Gesundheit Ihrer Mitarbeiter:innen am Arbeitsplatz zu fördern?

Grundsätzlich konzentrieren wir uns in der Prävention momentan noch sehr stark auf den Büro-Bereich. Die gesundheitlichen Gefahren durch das lange Sitzen werden von vielen immer noch unterschätzt. Ich achte deshalb darauf, die Bildschirmarbeitsplätze entsprechend anzupassen. Wichtig ist ein großer Bildschirm mit guter Auflösung. Auch der Bürostuhl und die richtige Tischhöhe sind wesentlich; beim Telefonieren entlasten Headsets. Es sind viele Kleinigkeiten, die aber sehr helfen können, Problemen vorzubeugen.

 

Mir fällt leider auf, dass es unter den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern hier oft wenig Sensibilität gibt. Wenn ich einzelne Kolleginnen oder Kollegen darauf anspreche, ob ihnen bei ihrer Sitzhaltung nicht das Genick weh tut, kommt oft die Antwort „das passt schon“. Mit der Durchsetzung des Homeoffice während der Corona-Pandemie habe ich als Chef nur wenig Einfluss auf die ergonomischen Verhältnisse. Ich habe meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nochmals darüber unterwiesen, dass es auch zu Hause wichtig ist, auf gute ergonomische Arbeitsbedingungen zu achten.

Was wünschen Sie sich von der AUVA in puncto Zusammenarbeit mit Ihrer Branche?

Grundsätzlich bin ich mit der Zusammenarbeit sehr zufrieden. Wir haben eine gute laufende Betreuung. Besonders wichtig und gut ist die Unterstützung bei den Unterweisungen. Die Unterlagen und Vordrucke sind wirklich toll und hilfreich. Auch die ärztliche Unterstützung schätze ich sehr. Ich freue mich immer auf den Termin mit dem Arbeitsmediziner, weil ich oft wertvolle Tipps bekomme, was ich noch besser machen kann.

 

Wo ich mir mehr Unterstützung wünschen würde, ist beim Thema Sicherheit bei Dienstleistungsfahrten. Ich muss aber gestehen, dass es unser AUVA-Betreuer nicht so einfach hatte, da es bei uns in den vergangenen Jahren viele Veränderungen gab. Wir haben uns vom reinen Produktionsbetrieb auf das Thema Dienstleistung im Bereich Sicherheitstechnik verlagert. Die Montage mit dem vielen Fahren ist in den Mittelpunkt gekommen.

Wie erklären Sie einer Unternehmerin bzw. einem Unternehmer in aller Kürze die Vorteile von Prävention?

Als Sicherheitstechnik-Betrieb raten wir unseren Kunden täglich, zu handeln, bevor ein Schaden passiert, zum Beispiel ein Einbruch. Die AUVA macht im Prinzip dasselbe bei Unternehmen. Das Problem ist aber, dass in Österreich noch immer viel zu sehr die Behandlung im Vordergrund steht und nicht die Prävention. Unser System greift erst, wenn jemand am Boden liegt. Dann werden die Menschen, deren Gesundheit schon beeinträchtigt ist, oft bis zur Pension durch das System durchgetragen, anstatt vorher etwas zu tun, damit es erst gar nicht so weit kommt.

 

Das ist das Kernproblem: Wir schicken Leute mit 60 Jahren in Frühpension, und auf der anderen Seite fehlen die Arbeitskräfte. Mir ist es sehr wichtig, dass es meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Firma fein haben und dass sie, auch wenn sie älter werden, gut arbeiten können. Der Beitrag, den wir für die AUVA zahlen, ist im Vergleich zu den Beiträgen an die Krankenkasse gering. Deren Präventionsleistungen sind aus meiner Sicht bei weitem nicht ausreichend.

… und was sagen Sie einer Arbeitnehmerin bzw. einem Arbeitnehmer über Prävention?

Wenn ich das so genau wüsste. Leider spüre ich in der Belegschaft oftmals sehr viel Gleichgültigkeit. Wir bieten im Unternehmen wirklich viel an: Sicherheitsausrüstung, große Bildschirme, ergonomische Stühle usw. Und in Wahrheit wird es als Standard gesehen. Viele bemerken das gar nicht. Aber vielleicht ist das sowieso der beste Weg, wenn man es nicht merkt. Denn wenn den Menschen etwas aufgezwungen wird, nehmen sie es eher nicht an. Ich gehe immer mit offenen Augen durch die Firma und nehme wahr, dass sich alle wohlfühlen. Das zeigt mir, dass ich es richtig mache.

 

Was ich schade finde, ist, dass fast zwei Drittel des Teams rauchen. Manche Kolleginnen und Kollegen rauchen am Tag bis zu zwei Schachteln. Ich versuche, die gesundheitlichen Gefahren, die dadurch entstehen, immer wieder zu thematisieren. Ich habe sogar eine Prämie von EUR 1.000.- angeboten, wenn man mit dem Rauchen aufhört. Die einzige Bedingung war, dass die Prämie zurückgezahlt werden muss, wenn im darauffolgenden Jahr bis zum 31.12. wieder mit dem Rauchen angefangen wird. Leider hat niemand das Angebot angenommen. Letztlich liegt das im privaten Verantwortungsbereich der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Ich kann lediglich Denkanstöße und Incentives setzen.

Speziell die Lehrlinge sind Ihnen ein Anliegen. Für Ihre Bemühungen in der Lehrlings-Entwicklung wurden Sie auch mit der „Goldenen Securitas“ von AUVA und WKÖ ausgezeichnet. Wie vermitteln Sie Lehrlingen die Bedeutung von Prävention?

Jungen Menschen das Thema Prävention näher zu bringen, ist eine der schwierigsten Aufgaben. Viele Gesundheitsrisiken liegen auch im Privatleben, das ich als Chef nicht beeinflussen kann. Deswegen sage ich, zu Hause kann jeder gerne machen, was er oder sie will, aber in der Firma gehen wir mit gutem Beispiel voran, auch ich selbst. Unsere Lehrlinge dürfen zum Beispiel bei Firmenfeiern nicht rauchen und auch keinen Alkohol trinken. Ich möchte nette, gediegene Feiern und keine Exzesse. Das ziehe ich durch, und sie halten sich auch daran. Als Ausbildner habe ich eine Vorbildfunkunktion, und dieser bin ich mir sehr bewusst.

 

 

Im Projekt „Heartbeat“, für das wir mit der „Goldenen Securitas“ ausgezeichnet wurden, geht es vor allem um die Grundlagen, die ein Lehrling braucht und die in der Schule bzw. in der Berufsschule oft nicht mehr ausreichend vermittelt werden. Manche Lehrlinge können sehr schlecht lesen oder schreiben. Da frage ich mich, wie sie es neun Jahre durch die Schule geschafft haben. Grundlagen wie Lesen, Schreiben und Rechnen gehören für mich in der Lehrlingsausbildung dazu, deswegen bauen wir sie ein. Als Mitarbeiter muss man zum Beispiel Lieferscheine schreiben können, und auch die Hinweispflicht muss vermerkt werden. Man muss Sätze so schreiben können, dass sie verständlich sind.

 

Ein Lehrling hatte zum Beispiel eine erhebliche Schreibschwäche. Ich habe ihn dann täglich ein paar Sätze darüber schreiben lassen, was er heute gemacht hat. Das war für ihn am Anfang wirklich sehr schwierig. Aber mittlerweile schaut es ganz gut aus. Er hat eine gewisse Sicherheit und schreibt sogar die Texte für unseren Online-Shop. Nicht richtig lesen oder schreiben zu können, wirkt sich massiv auf das Selbstvertrauen, die Lebensqualität und langfristig auch auf die Gesundheit aus: Man bekommt keinen guten Job, hat ein schlechtes Einkommen, und das steht oft in Verbindung mit einer schlechteren Gesundheit. Ich nehme meinen Ausbildungsauftrag sehr ernst. Wir beschäftigen uns mit den jungen Leuten, wollen sie fördern und ihnen helfen, mehr aus sich zu machen.

Die Digitalisierung ist – nicht zuletzt durch die Corona-Pandemie – im Vormarsch. Hat diese Entwicklung auch Einfluss auf Ihre Branche? Welche Chancen und / oder Risiken sehen Sie?

Da hat sich einiges getan, auch in unserer Branche. Videokonferenzen haben sich durchgesetzt, auch wenn viele Firmen langsam wieder dazu übergehen, Präsenz- Meetings zu machen. Wir haben einen Onlineshop gegründet, weil es damals auch gefördert wurde. Auch das Homeoffice hat sich als Option entwickelt. Ich halte aber den sozialen Kontakt für sehr wichtig und bin da eher restriktiv. Ich bestehe darauf, dass meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mindestens drei Tage in der Woche in der Firma sind. Bei allen Vorteilen, die das Homeoffice bietet, braucht es eine gesunde Mischung.

Verraten Sie uns zum Schluss noch, welche 3 Eigenschaften Ihren persönlichen „best place to work“ ausmachen?

Wichtig ist aus meiner Sicht eine familiäre und freundschaftliche Führung. Als Chef muss man greifbar sein. Meine Mitarbeiter können mit ihren Problemen und Anliegen immer persönlich zu mir kommen, ohne vorab einen Termin ausmachen zu müssen. Zweitens ist eine gute Betriebsausstattung wichtig – analog und digital. Wir bieten Räume zur Erholung, einen Tischtennistisch, ein breites Getränkeangebot und eine Terrasse. Das fördert den sozialen Zusammenhalt. Unsere Mitarbeiter reden viel miteinander und verbringen auch nach Feierabend gerne Zeit zusammen, reden über die Arbeit und dies und das. Drittens ist es wichtig, in einer zukunftssicheren Branche zu arbeiten, wo man sich laufend weiterentwickeln kann. Mit diesen drei Sachen ist ein „best place to work“ nicht mehr weit entfernt. Was man aber auch ehrlich sagen muss, ist, dass man als Unternehmen am Ende immer einen Gewinn erwirtschaften muss. Forderungen wie mehr Urlaub oder kürzeren Arbeitszeiten sind schön und gut, aber das muss man sich auch leisten können.

(Foto: LINTNER)

Markus Lintner hat die HTL für Maschinenbau und Betriebstechnik abgeschlossen und ist seit 1994 bei der Lintner Sicherheitstechnik GmbH in Schwaz/Tirol tätig. Seit 2010 führt Lintner den Familienbetrieb in der vierten Generation. Die Lintner Sicherheitstechnik ist Komplettanbieter im Bereich Sicherheitstechnik: Schlüsseldienst, Aufsperrnotdienst, Alarmanlagen, elektronische Zutrittssysteme, Videoüberwachung, Tresore, Einbruchschutz u.v.m. Aktuell werden 18 Mitarbeiter:innen beschäftigt. Markus Lintner steht dem Verein OES, dem Österreichischen Expertennetz für Sicherheit seit neun Jahren als Präsident vor und ist Funktionär in der Innung der Metalltechniker:innen. Letztes Jahr hat er mit dem Verein OES eine Ausbildungsakademie für Sicherheitsberufe gegründet.