Digitale Technologien sind aus dem Alltag nicht mehr wegzudenken und bieten eine Fülle an Möglichkeiten. Mit der Frage, welchen Nutzen sie im Umfeld der Unterweisung bieten und wie sie in diesem Zusammenhang rechtskonform einsetzbar sind, beschäftigt sich dieser Beitrag.

(Foto: Unsplash / XR Expo)

Die Digitalisierung schreitet voran und entsprechende Tools werden auch verstärkt in der Aus- und Weiterbildung eingesetzt. Das ermöglicht gehirngerechte Lernabläufe, modulare Lernwege und nachhaltige Wissensvermittlung. Arbeitgeber:innen suchen nach Möglichkeiten, digitale Lerntools für die Unterweisung einzusetzen. Diese ist im ArbeitnehmerInnenschutzgesetz (ASchG) sowie den zugehörigen Verordnungen geregelt. Zur elektronischen Unterweisung liegt ein Erlass des Zentral-Arbeitsinspektorats vor. Diese Regelungen müssen immer berücksichtigt werden. Doch welche Möglichkeiten ergeben sich nun durch digitale Tools und wie lässt sich die Unterweisung allen gesetzlichen Regelungen entsprechend umsetzen?

Unterweisung digital? – Die rechtlichen Regelungen

Um digitale Lerntools in der Praxis rechtskonform einzusetzen, müssen die Regelungen des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes (ASchG) sowie der zugehörigen Verordnungen erfüllt sein. Grundlegende Informationen zur Unterweisung und den gesetzlichen Regelungen finden Sie im Blogartikel „Unterweisung – zentrales Instrument im Arbeitnehmer:innenschutz“.

 

Besonders wichtig sind in diesem Zusammenhang die folgenden Regelungen:

  • Zeitpunkt der Unterweisung: Auch beim Einsatz digitaler Tools muss die Unterweisung in der Arbeitszeit stattfinden und bevor die Tätigkeit aufgenommen wird. Dies darf nicht umgangen werden.
  • Ausgestaltung der Unterweisung: Die Inhalte in der Unterweisung müssen verständlich vermittelt werden – das heißt Ausbildung, Erfahrung und Kenntnisse der Beschäftigten müssen berücksichtigt werden, ebenso wie eine für die Person verständliche Sprache. Bei digitalen Tools ist aber auch wichtig, dass die Beschäftigten entsprechend mit digitalen Medien umgehen können und davon nicht überfordert sind. Außerdem sind für gutes Verständnis der Inhalte Fragen oder Gespräche und Vorzeigen, Ausprobieren oder Trainieren notwendig. Ob alle Inhalte auch verstanden wurden, muss hinterfragt werden – beispielsweise durch Verständnisfragen oder eine Demonstration.
  • Dokumentation: Die Unterweisung muss nachweislich erfolgen. Bei digitalen Methoden muss sichergestellt sein, dass dies wirklich einem:einer einzigen Beschäftigten zugeordnet ist und diese Person die Inhalte genutzt oder den Test absolviert hat. Fälschungssicherheit und Datenschutz sind in diesem Zusammenhang wichtig. 

Erlass des ZAI zur elektronischen Unterweisung

Ein Erlass des Zentral-Arbeitsinspektorats aus dem Jahr 2010 beschäftigt sich speziell mit der „elektronischen Unterweisung“. Diese Regelungen müssen ebenfalls berücksichtigt werden, wenn digitale Tools in der Unterweisung eingesetzt werden.

 

Daraus geht hervor, dass die Maßstäbe in Bezug auf die erste Unterweisung bei einer neuen Tätigkeit (im Erlass „Erstunterweisung“) strenger anzulegen sind. Da in der Regel durch eine elektronische Unterweisung nicht alle Anforderungen des Gesetzes erfüllt sind, ist diese nach dem Erlass nur geeignet für wiederkehrende, allgemeine Unterweisungen und als ergänzendes Element zur persönlichen Unterweisung.

Für die erste Unterweisung bei einer neuen Tätigkeit ist die elektronische Form nicht ausreichend. Die persönliche Unterweisung vor Ort, zum Beispiel an Maschinen oder Anlagen, darf nicht wegfallen. Auch wiederkehrende, arbeitsplatzspezifische Unterweisungen dürfen nicht rein elektronisch erfolgen.

 

Persönliche Interaktion, Fragen stellen, etwas vorgezeigt bekommen, selbst ausprobieren und direkte Überprüfung, ob Beschäftigte die Inhalte verstehen, sind sehr wichtig. Deshalb ist gerade bei der ersten Unterweisung für eine neue Tätigkeit oder an einem neuen Arbeitsplatz die persönliche Unterweisung unersetzbar.

Das Zentral-Arbeitsinspektorat führt unter anderem folgende Gründe an:

  • Je nach eingesetzter, digitaler Lösung ist oft die Kommunikation nur in eine Richtung möglich und Beschäftigte können daher keine Fragen stellen – das ist aber wichtig und nötig.
  • Es muss bei der Unterweisung auf die individuellen Kenntnisse und den Ausbildungsstand der Beschäftigten eingegangen werden.
  • Es muss überprüft werden, ob die Unterweisung verstanden wurde – besonders wichtig ist das beispielsweise bei jugendlichen Beschäftigten, fremdsprachigen Personen, Leiharbeiter:innen oder überlassenen Arbeitskräften.
  • Das Training bei der tatsächlichen Tätigkeit und ein persönlicher Kontakt zwischen der Person, die unterweist, und den Beschäftigten, wird als sehr wichtig für das Erkennen von Missverständnissen angesehen.
  • Es muss immer nachvollziehbar sein, wer, wann und zu welchem Thema und Inhalt unterwiesen wurde.
  • Elektronische Möglichkeiten erfordern Anwenderkenntnisse und EDV-Zugang, dies ist nicht bei allen Beschäftigten gegeben. Manche Beschäftigte sind nicht so vertraut mit elektronischen Medien, sind längere Tätigkeiten am PC nicht gewohnt, oder können elektronisch vermittelte Inhalte aufgrund von Einschränkungen nicht aufnehmen.
Mann mit VR Brille
(Foto: Unsplash / Lauren Derks)

Digitale Tools und ihre Möglichkeiten in der Praxis

Digitale Tools können verschiedene Ziele erreichen, die im Prozess hin zum sicheren und gesunden Verhalten der Beschäftigten nützlich sind:

  • Inhalte verfügbar machen – beispielweise auf Lernplattformen
  • Visualisieren und Simulieren – neben Grafiken, Bildern und Videos auch „erlebbar“ durch Augmented Reality und Virtual Reality
  • Kommunizieren und Kooperieren – durch Foren und Chats, mit Videokonferenzen oder über digitale Whiteboards
  • Systematisieren und Strukturieren – in Datenbanken oder mit digitalen Arbeitsflächen oder Mindmap-Systemen
  • Testen und Prüfen – mit online Test- und Prüfungstools oder in Simulationen

 

Je nachdem, welche Tools und Kanäle gewählt werden, erfolgt das Vermitteln der Inhalte auf unterschiedliche Art und Weise:

  • Aktivitätsgrad: Werden nur Inhalte präsentiert, bearbeiten die Beschäftigten Themen selbst oder erarbeiten sie sich Inhalte?
  • Zeitliche Gestaltung: Wird das Wissen zeitgleich mit der Wissensaufnahme vermittelt oder rufen die Beschäftigten Inhalte zu einem anderen Zeitpunkt ab?
  • Interaktion: Ist eine Interaktion aller Beteiligten oder ein Dialog (Fragen stellen) mit den Unterweisenden möglich?

Vor- und Nachteile digitaler Tools

Richtig eingesetzt können digitale Tools gute Instrumente in Lernprozessen zur Arbeitssicherheit und -gesundheit sein. Sie können einen Lernprozess zeitlich und räumlich entzerren und flexibilisieren – mit Vorteilen beispielsweise bei Beschäftigten im Schichtbetrieb oder Spezialisten, die für die Vermittlung von speziellen Inhalten nötig sind. Sie können Abwechslung bieten und Wiederholungen oder Übungen ermöglichen, die zur sicheren Verankerung des Wissens nötig sind. Fallweise können sie gefährliche Arbeitsprozesse und Arbeitsumgebungen simulieren und Training von sicherem Verhalten ermöglichen, bevor sich Personen in eine potenziell gefährliche Situation begeben.

 

Um Lernerfolge erzielen zu können, darf der Umgang mit dem (digitalen) Medium die Beschäftigten nicht überfordern. Nicht alle verfügen über die nötige Erfahrung, was dazu führen kann, dass die Aufmerksamkeit auf die eigentlichen Inhalte leidet. Auch bei Personen mit geringer formaler Bildung, mit (funktionalem) Analphabetismus oder mit bestimmten Einschränkungen – Stichwort Barrierefreiheit – muss überlegt werden, welche Formen der Aufbereitung und Vermittlung von Inhalten funktionieren können.

 

Es ist also darauf zu achten, welche Tools für welche Zielgruppen genutzt werden können – und der persönliche Teil der Unterweisung muss trotzdem stattfinden. Auch eine Überprüfung, ob das nötige Wissen vermittelt werden konnte, ist unbedingt nötig.

Rechtskonformer Einsatz von digitalen Tools rund um die Unterweisung in der Praxis

 

Der Erlass des ZAI erlaubt grundsätzlich keine rein digitale „Erstunterweisung“ und bei genauer Überlegung wird man bei den hohen Anforderungen nach dem ASchG – und der Wichtigkeit für die Sicherheit der Beschäftigten – auch zu dem Schluss kommen, dass es eine persönliche Erstunterweisung geben muss und auch wiederkehrende, arbeitsplatzspezifische Unterweisungen nicht rein elektronisch erfolgen können.

 

In einem Lernprozess oder Schulungen können digitale Elemente jedoch genutzt werden, wenn die Unterweisung selbst allen gesetzlichen Kriterien entspricht. In diesem können die Beschäftigten optimal auf die Tätigkeit vorbereitet werden und dieser kann mit passenden digitalen Tools gestaltet werden – beispielsweise bevor die Erstunterweisung vor Aufnahme einer konkreten Tätigkeit dann persönlich erfolgt. Solche Ansätze entsprechen auch nachhaltigem, menschlichem Lernen, das Zeit und Wiederholungen benötigt, um Inhalte zu festigen und Verhaltensänderungen zu erzielen.

Für Fragen zu den Themen Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz und bei der Ausbildung steht Ihnen das AUVA-Präventionsteam jederzeit gerne zur Verfügung. Kontaktieren Sie uns unter sichereswissen@auva.at