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Das heurige Forum Prävention stellte in zweifacher Hinsicht eine Premiere dar. Es setzte sich aus einem internationalen und einem nationalen Teil zusammen, Veranstaltungsort war das Austria Center Vienna. Über 50 Vortragende referierten zu den Themen Digitalisierung, Vision Zero und Lieferketten.

Dieser Beitrag ist auch in englischer Sprache verfügbar: Review: Forum Prävention 2023
((c) Gregor Nesvadba)

Mit einem neuen Konzept trug das Forum Prävention 2023 der zunehmenden Internationalisierung der Arbeit Rechnung, die z. B. durch Digitalisierung und grenzüberschreitende Lieferketten Herausforderungen an die Arbeitssicherheit stellt. Länderübergreifender Wissenstransfer kann dazu beitragen, Lösungen zu finden. Über 50 Vortragende aus dem In- und Ausland stellten den rund 1.200 Besuchern:Besucherinnen ihre Ideen und Projekte vor. Als Veranstaltungsort diente, passend zur internationalen Ausrichtung, das Austria Center Vienna.

 

Die erste Hälfte des Forums Prävention war für den internationalen Teil reserviert, der in Zusammenarbeit mit der Internationalen Vereinigung für Soziale Sicherheit (IVSS) durchgeführt wurde. Den nationalen Teil bestritten in bewährter Form die Arbeitsgruppen aus den Bereichen Arbeitsmedizin, Krankenanstalten, Ergonomie, Arbeits- und Organisationspsychologie, Bau, Öl- und Gasindustrie, Verkehr und Transport sowie Metall und Elektro. 66 Unternehmen, die bei der Fachausstellung „Prävention aktuell“ vertreten waren, boten einen Überblick über Produkte für einen sicheren Arbeitsalltag.

((c) Gregor Nesvadba)

In seiner Eröffnungsrede wies Mag. Jan Pazourek, Generaldirektor-Stellvertreter der AUVA, auf die Veränderungen der letzten Jahre und ihre Auswirkungen auf die Arbeitssicherheit hin: „Die Kernaussage der aktuellen Unfallstatistik lautet: Die Pandemie ist vorbei. Durch eine Zunahme der Aktivitäten ist die Unfallrate wieder gestiegen, aber noch nicht auf das Niveau von 2019. Die Themen Homeoffice und Digitalisierung sind in der Arbeitswelt angekommen und werden bleiben.“ Diese Entwicklungen wirken sich auch auf die Art der Arbeitsunfälle aus. So hat sich die Anzahl der Fahrradunfälle, von denen Beschäftigte von Lieferdiensten besonders betroffen sind, vervielfacht.

 

DI Georg Effenberger, Leiter der Abteilung für Unfallverhütung und Berufskrankheitenbekämpfung der AUVA, bot in seinem Vortrag einen Überblick über die drei Themenschwerpunkte des Forums Prävention. „Vision Zero“ hat sich zum Ziel gesetzt, dass alle Arbeitnehmer:innen nach jedem Arbeitstag gesund und sicher nach Hause kommen. Lieferketten, der zweite Schwerpunkt, und ihre Auswirkungen auf Sicherheit und Gesundheit sind seit der Pandemie verstärkt in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt. Bezüglich der Digitalisierung, Schwerpunkt Nummer drei, bemühe sich die AUVA, die positiven Aspekte zu fördern, so Effenberger: „Unser Ziel ist die Humanisierung der Arbeitswelt. Wir müssen auf die Menschen schauen.“

 

Keynote: Künstliche Intelligenz

Im Bereich der Digitalisierung ist bei Künstlicher Intelligenz (KI) ein besonders rascher Fortschritt zu verzeichnen. Der Frage, wie sich eine vertrauenswürdige KI erkennen lässt, widmete Univ.-Prof. Dr. Dietmar Reinert, Direktor des Instituts für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV), seine Keynote. Anhand mehrerer Kriterien kann man feststellen, ob eine KI sowohl zuverlässig und sicher funktioniert als auch ethische Aspekte – z. B. Diskriminierungsfreiheit bei der Rekrutierung – berücksichtigt.

 

Als Beispiel für eine KI, die zu mehr Arbeitssicherheit beiträgt, beschrieb Reinert ein von der DGUV gefördertes Forschungsprojekt zur Unfallvermeidung in der Stahlerzeugung sowie der Post- und Paketzustellung. Mit Hilfe von Algorithmen zur Erkennung von Beinahestürzen wurden Trainingselemente zur Verhinderung von Stolper-, Rutsch- und Sturzunfällen entwickelt.

 

Keynote: die Vision-Zero-Story

DI Helmut Ehnes, Vorsitzender des „Vision Zero“-Lenkungsausschusses des Besonderen Ausschusses für Prävention der IVSS, beschrieb in seiner Keynote, wie die Vision einer Welt ohne Arbeitsunfälle Realität werden könnte. Der wirtschaftliche Aspekt spielt dabei eine wesentliche Rolle, betonte Ehnes: „Prävention ist eine Investition: Return of Prevention. Jeder in Sicherheit, Gesundheit und Wohlbefinden investierte Euro hat das Potential, den wirtschaftlichen Erfolg um 2,20 Euro zu erhöhen.“

 

Sicherheit, Gesundheit und Wohlbefinden sind die drei Säulen von Vision Zero. Während es sich bei Sicherheit am Arbeitsplatz um den „klassischen“ Ansatz handelt, wird die Gesunderhaltung der Mitarbeiter:innen oft unterbewertet. Wohlbefinden schließt auch mentale Gesundheit mit ein, die durch eine gute Präventionskultur gefördert wird.

 

Keynote: faire Lieferketten

Den Abschluss der Eröffnung des Forums Prävention bildete der Vortrag von Dr. Virpi Stucki, Chief of Rural Entrepreneurship, Job Creation and Human Security Division der UNIDO. Sie betonte die Notwendigkeit, die internationalen Lieferketten fair und nachhaltig zu gestalten.

 

Als Good-Practice-Beispiele nannte sie von der UNIDO unterstützte Projekte, bei denen sowohl auf Arbeitssicherheit als auch auf Umweltschutz geachtet wird, etwa fair gehandelter Kakao aus Nikaragua. Jeder kann zur Nachhaltigkeit beitragen, ist sich Stucki sicher: „Wir alle sind Konsumenten:Konsumentinnen. Wenn wir ein neues Smartphone kaufen, sollten wir den:die Verkäufer:in fragen, woher die Materialien kommen.“

 

Digitalisierung

Zum Schwerpunkt Digitalisierung wurden positive und negative Effekte neuer Technologien aufgezeigt: Unterstützung bei Gefährdungsbeurteilung und Prävention, aber auch Stress und Sicherheitsrisiken.

 

Die Auswirkungen der Digitalisierung auf die Arbeitswelt sind höchst unterschiedlich. Sie reichen von Verbesserungen durch den Einsatz digitaler Tools für Gefährdungsbeurteilung, Training und Unfallprävention bis zu mehr Stress sowie zur Entstehung neuer Safety- und Security-Risiken. Die einzelnen Aspekte wurden von den Vortragenden sowohl im internationalen als auch im nationalen Teil des Forums Prävention thematisiert.

 

Die Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW) der DGUV hat ein Online-Tool entwickelt, das Kleinunternehmen im Gesundheitsbereich bei der Gefährdungsbeurteilung unterstützt. „Bei der Durchführung der Gefährdungsbeurteilung wird man durch Fragen geleitet, z. B. zu Stolpern, Stürzen und Ausrutschen. Man kann den Handlungsbedarf und die entsprechenden Maßnahmen ableiten“, erklärte Dipl.-Päd. Marco Müller, Leiter der Produktentwicklung der BGW. Die Expertise der Fachkräfte und die individuelle Risikoeinschätzung seien durch das Tool jedoch nicht ersetzbar.

 

Wie eine „Betriebsbesichtigung 4.0“ abläuft, erläuterte Dipl.-Biol. Annegret Epple von der Berufsgenossenschaft Nahrungsmittel und Gastgewerbe (BGN) der DGUV. Ein digitaler Assistent ermittelt anhand von sechs Faktoren einen Risikoindex. Dieser unterstützt die Aufsichtspersonen der BGN, für jedes Unternehmen die optimale Frequenz für Betriebsbesichtigungen zu finden und ein maßgeschneidertes Präventionskonzept zu erstellen.

 

KI und Datenbrillen

Paul Martin Fechtner vom Institut für Arbeitsschutz (IFA) der DGUV befasste sich mit der Erhöhung der Arbeitssicherheit durch Künstliche Intelligenz. Als Beispiel beschrieb er ein System, das Schnittverletzungen bei der Arbeit mit einer Formatkreissäge verhindert. Kameras überwachen Position und Bewegungen der Hände. Nähern sich diese dem Gefahrenbereich, wird das mit Hilfe der KI erkannt und der:die Benutzer:in gewarnt. „Bei einer akuten Gefährdung erfolgt eine sofortige Abschaltung, das Sägeblatt senkt sich unter den Bearbeitungstisch“, so Fechtner.

 

KI kann auch bei der Prüfung von Maschinen unterstützen. Den Prüfern:Prüferinnen des Prüf- und Zertifizierungssystems der DGUV steht aufgrund des steigenden Arbeitsaufkommens immer weniger Zeit für die Prüfung jeder einzelnen Maschine inklusive ihrer Betriebsanleitung zur Verfügung. Dr. Oliver Schmitt vom Fachbereich Nahrungsmittel der DGUV stellte ein digitales Tool vor, das die Betriebsanleitung automatisiert durchsucht und die Daten in den Prüfbericht überträgt. Das beschleunigt den Prüfvorgang und garantiert gleichzeitig eine hohe Genauigkeit.

 

Bei einer Präsentation der Arbeitsgruppe Metall und Elektro stellten heimische Unternehmen Augmented-Reality-(AR-)Projekte vor. AR wird bei der KNG Kärnten Netz GmbH zu Trainingszwecken und zur Erhöhung der Arbeitssicherheit, z. B. bei der Arbeit an Schaltanlagen, genutzt. Die Siemens Energy Austria GmbH verwendet AR-Brillen zu Schulung und Unterweisung für selbstfahrende Arbeitsmittel. Im Mobilitätstechnologie-Unternehmen AVL List GmbH dient AR zur Unterstützung bei der Instandhaltung von Prüfständen. Patrick Christian Bauer von der Gewerkschaft PRO-GE wies auf die von Datenbrillen verursachten Belastungen, darunter Druckstellen, Temperatur und Strahlung sowie Stress durch komplexe Handhabung, hin.

 

Mehrere Vortragende gingen auf Risiken durch die digitale Vernetzung ein. Der unberechtigte Zugriff auf die IT-Infrastruktur eines Unternehmens kann in doppelter Hinsicht eine Gefahr darstellen: im Bereich der Security für die technischen Systeme, im Bereich der Safety für die Betriebssicherheit und damit für die körperliche Unversehrtheit der Beschäftigten. IFA-Sicherheitsexperte Jonas Stein berichtete von einem Angriff auf ein deutsches Stahlwerk im Jahr 2014, bei dem Schadsoftware über eine E-Mail ins System eingeschleust wurde. Der Hochofen konnte nicht mehr kontrolliert heruntergefahren werden. Maßnahmen zum Schutz der IT-Infrastruktur stellen daher auch einen wesentlichen Beitrag für die Arbeitssicherheit dar.

 

Vision Zero

Zum Thema Vision Zero lag der Fokus auf dem Bereich Verkehr, dem sich auch der aktuelle AUVA-Präventionsschwerpunkt „Komm gut an!“ widmet. Ziel ist, schwere und tödliche Verkehrsunfälle zu verhindern.

 

Vision Zero verfolgt ein ehrgeiziges Ziel: Es soll eine Welt ohne Arbeitsunfälle und arbeitsbedingte Erkrankungen geschaffen werden. Die höchste Priorität hat die Vermeidung tödlicher bzw. schwerer Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten. Mehrere Vorträge befassten sich, passend zum aktuellen AUVA-Präventionsschwerpunkt, mit der Umsetzung von Vision Zero im Verkehr.

 

Warum dem Verkehr besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden sollte, zeigte Peter Schwaighofer, BSc, Experte für Verkehrssicherheit in der AUVA-Hauptstelle, anhand der Arbeitsunfallstatistik 2022: „Es sind zwar ’nur‘ zehn Prozent aller Arbeitsunfälle – inklusive der Wegunfälle – Verkehrsunfälle, allerdings ereignen sich 35 Prozent der tödlichen Arbeitsunfälle im Verkehr.“ Um eine effiziente Präventionsstrategie entwickeln zu können, muss man sich mit Unfallursache und -hergang befassen.

 

Im innerbetrieblichen Verkehr sind die Unfallursachen weitgehend unbekannt, wobei oft Unaufmerksamkeit und Ablenkung eine Rolle spielen, stellte Mag. Dr. Sylvia Peißl, Psychologin in der AUVA-Landesstelle Graz, fest. Eine Methode, um Risiken im innerbetrieblichen Verkehr zu identifizieren, ist die von der AUVA angebotene Blickanalyse. Mit Hilfe von Eye-Tracking lässt sich feststellen, ob ein:e Fahrer:in die Umgebung im Auge behält oder das Blickfeld durch Hindernisse eingeschränkt ist.

 

Ablenkung stellt die Unfallursache Nummer eins dar, betonte Dipl.-Psych. Daniela Knowles vom KFV. Aber auch Müdigkeit, Krankheit, Stress, Alkohol und andere Substanzen können die Fahrtüchtigkeit beeinflussen. Die Psychologin präsentierte in ihrem Vortrag den „Workshop Fahrtüchtigkeit“, ein Angebot der AUVA in Kooperation mit dem Kuratorium für Verkehrssicherheit (KFV), sowie die AUVA-App „Fahr sicher!“, die in Verbindung mit der AUVA-Verkehrssicherheitsbrille eine virtuelle Simulation von Szenarien mit beeinträchtigter Fahrtüchtigkeit bietet.

 

E-Scooter und Fahrräder

E-Scooter werden für die Fahrt in die Arbeit, zum Teil auch für Wege am Werksgelände genutzt. Im Rahmen des Projekts „Safe e-Scooter driving“ (SEED) ließ DI Michael Aleksa, Senior Researcher am Austrian Institute of Technology GmbH (AIT), Freiwillige mit E-Scootern einen Parcours bewältigen. Daraufhin wurden mehrere Faktoren identifiziert, die zu sicherem und damit unfallfreiem Fahren beitragen: Stabilität und Bremsverhalten unterscheiden sich je nach Bauart des Scooters. Schwierig zu bewältigende Manöver sind Kurven, Engstellen und das Geben von Handzeichen.

 

Ing. Franz Strobl vom Arbeitsinspektorat Wien ging in seinem Vortrag auf die Prävention von Unfällen bei Zustelldiensten ein. Für die jeweilige Strecke und die beförderte Last ist das geeignete Verkehrsmittel – Fahrrad, E-Bike bzw. E-Lastenrad oder S-Pedelec – sowie der passende Transportbehälter zu wählen, als PSA benötigt man Helm und Wetterschutz. Der:die Fahrer:in muss eine ausreichende Kondition aufweisen und die Straßenverkehrsordnung kennen. Genauere Informationen kann man in dem von AUVA und Arbeitsinspektorat erstellten Merkblatt M.plus 801 „Fahrradbotendienste – sicher unterwegs“ nachlesen.

 

Ein Ansatz, um die Anzahl an Schwerverletzten und Getöteten im Straßenverkehr zu reduzieren, ist lauf DI Christian Kräutler vom KFV das Konzept des „Safe System“, in dem die Verantwortung für Unfallprävention nicht nur bei den Verkehrsteilnehmern:-teilnehmerinnen gesehen wird. Auch die Infrastruktur kann durch „fehlerverzeihende“ Straßen einen Beitrag leisten, ebenso das mit Assistenzsystemen ausgestattete Fahrzeug sowie eine schnelle und effiziente Rettungskette.

 

Ing. Michael Nikowitz, MSc, Koordinator Automatisierte Mobilität im BMK, wagte einen Blick in die Zukunft der automatisierten Mobilität. Die Fahrsicherheit wird durch den verstärkten Einsatz von Assistenzsystemen zunehmen. Hochautomatisierte Fahrzeuge, deren Fahrer:innen ihre Aufmerksamkeit nicht auf den Verkehr richten müssen, werden allerdings noch für längere Zeit nur in definierten Bereichen und Betriebsumgebungen unterwegs sein.

((c) Gregor Nesvadba)

Lieferketten

Sicherheit und Gesundheit für Arbeitnehmer:innen enden nicht vor den eigenen Unternehmenstoren. Gerade die Pandemie und der Ukraine-Krieg haben deutlich gemacht, wie vernetzt und fragil globale Märkte sind.

 

„Unser Alltag ist geprägt von Produkten, die zum überwiegenden Teil nicht in Europa hergestellt werden. Das beginnt beim Smartphone, geht über die Kleidung, die wir tragen, und reicht bis hin zum E-Auto, mit dem wir fahren“, sagt Dr. Virpi Stucki, Chief of Rural Entrepreneurship, Job Creation and Human Security Division der UNIDO im Rahmen ihrer Keynote am diesjährigen Forum Prävention. „Die Internationale Arbeitsorganisation ILO schätzt, dass weltweit 160 Millionen Kinder zwischen elf und 17 Jahren in prekären Beschäftigungsverhältnissen arbeiten, viele davon mit gefährlichen Arbeitsstoffen“, so Stucki weiter. Wie Waren heutzutage hergestellt, verpackt und transportiert werden, hat Auswirkungen in den Herstellerländern, entlang der globalen Lieferkette bis zu den Zielländern. Unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit steht daher die Forderung, die gesamte Wertschöpfungskette zu betrachten, schon länger im Fokus. Sicherheit und Gesundheit sind ein wesentlicher Teil davon. „Dennoch wissen wir, dass nur etwa 30 % aller Klein- und Mittelbetriebe ihre Lieferketten transparent verfolgen können“, so die UNIDO-Expertin.

 

Faire Lieferketten schaffen

Um in den Branchen Handel und Warenlogistik die internationale Zusammenarbeit auf dem Gebiet von Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz zu gewährleisten, bedarf es globaler Plattformen. Eine solche haben kürzlich die deutsche Berufsgenossenschaft Handel und Warenlogistik (BGHW) und die Internationale Vereinigung für Soziale Sicherheit (IVSS) geschaffen. Langfristige Ziele sind die Einführung internationaler Arbeitsschutzstandards, die Förderung einer globalen Präventionskultur, die Reduzierung des globalen Unfallgeschehens und der damit verbundenen Rehabilitation- und Ausfallkosten sowie die Schaffung von fairen Wettbewerbsbedingungen.

 

Nachgefragt bei …

… Dr. Klaus Schäfer, Präventionsleiter, Berufsgenossenschaft Handel und Warenlogistik (BGHW) und Technischer Sekretär der Sektion Handel der ISSA (International Social Security Association)

 

Hat sich der Stellenwert von Prävention und Sicherheit in den globalen Lieferketten in den letzten Jahren verändert?

Schäfer: Ja, durchaus. Dies liegt zum einen an der geänderten Rechtslage in Deutschland und der geplanten Änderung in Europa. Weiters wird die VISION ZERO-Strategie von immer mehr Unternehmen umgesetzt und die Kunden:Kundinnen fordern zunehmend mehr Nachhaltigkeit bei den Produkten und Lieferketten ein.

 

Wo sind die großen Hürden, um in internationalen Lieferketten VISION ZERO einzuhalten?

Schäfer: Die größte Hürde ist die Komplexität internationaler Lieferketten sowie die Vielschichtigkeit der Geschäfts- und Handelsbeziehungen. Unzureichende Informationen weiter entfernter Unternehmen, Betriebsgeheimnisse und der Markenschutz stellen weitere Probleme dar, die auch die Frage aufwerfen: Wer kann überhaupt in Haftung genommen werden, wenn entlang von Lieferketten bei Sicherheit und Gesundheitsschutz Defizite auftreten?

 

Welche Maßnahmen sind wichtig, um die internationale Zusammenarbeit im Handel und in der Warenlogistik sicherer zu gestalten?

Schäfer: Wichtige Maßnahmen sind insbesondere internationale Kooperationen aller Stakeholder:innen, um eine Kultur der Prävention entlang der Lieferketten zu etablieren. Hierfür braucht es intensive Kommunikation, Vertrauensaufbau innerhalb der Lieferketten, Wissens- und Erfahrungsaustausch mit Best Practices und die Qualifizierung von Lieferkettenpartnerschaften.

 

Viele Unternehmen haben Pandemie-Folgen und Fachkräftemangel zu kämpfen. Wie können sie trotzdem für mehr Sicherheit in der Lieferkette aktiv werden?

Indem sie Arbeitsschutz und grundlegende Menschen- und Arbeitsrechte in den eigenen Unternehmenszielen verankern. Das sichert gleichzeitig Arbeitskräfte und macht das eigene Unternehmen attraktiver. Anschließend sollte der Status quo der Lieferkette ermittelt werden. Arbeitsschutz- und Menschenrechte bei Kontraktoren:Kontraktorinnen vertraglich einzufordern, könnte der nächste Schritt sein.

Impressionen vom Forum Prävention 2023 finden Sie unter: https://congress.auva.at/ForumPraevention2023 

(Text: Romy Pexa, Renate Haiden)